Kerngedanken Polkinghornes

John C. Polkinghorne ist einer der profiliertesten Vertreter im Gespräch von Theologie und Naturwissenschaften. Er verdichtet seine Erkenntnisse in diesem Grenzgebiet in sprachliche Formeln, deren zentrales Credo lautet:

An Gott im Zeitalter der Naturwissenschaften zu glauben bedeutet die Gewißheit zu haben, daß "hinter der Geschichte des Universums ein Gedanke* und eine Absicht stehen, und daß der Eine, dessen verborgene Gegenwart sich darin ausdrückt, unser Anbetung wert** und der Grund unserer Hoffnung ist."
(An Gott glauben im Zeitalter der Naturwissenschaften, S. 10).

  • Ein Gedanke*
    Wir leben in einer Welt, deren physikalisches Gewebe mit einer transparenten rationalen Schönheit ausgestattet ist. Ich glaube, daß die rationale Schönheit des Kosmos tatsächlich den Geist* dessen spiegelt, der die Welt am Leben erhält. Die unbegründbare Effektivität der Mathematik beim Erschließen der Strukturen der physikalischen Welt ist ein Hinweis auf die Gegenwart des Schöpfers, den er uns, die wir nach seinem Ebenbild geschaffen sind, schenkt. Ich glaube, daß Dirac und Einstein, als sie ihre großen Entdeckungen machten, an einer Begegnung mit dem Göttlichen partizipierten.
     
  • Eine Absicht
    Die Idee der Evolution wird gewöhnlich auf die Formel gebracht, daß man von ihr als dem Ergebnis des Zusammenspiels von Zufall und Notwendigkeit spricht. "Notwendigkeit" steht dabei für die naturgesetzlichen Umgebungen, in denen sich die Evolution vollzieht. Wenn der Prozeß der Evolution in kosmischen Dimensionen allerdings fruchtbar sein soll, dann muß seine "Notwendigkeit" eine sehr spezifische Form einnehmen. Nur eine bestimmte Art von Universum ist überhaupt in der Lage, Systeme hervorzubringen, die komplex genug sind, auf Dauer selbstbewußtes Leben zu ermöglichen. Rational erklärbar ist dies nur als Ausdruck einer göttlichen Absicht, so die Einsicht des "Anthropischen Prinzips".

Auch wenn diese theistischen Schlußfolgerungen nicht zwingend sind , so können sie doch Anspruch erheben, eine intellektuell befriedigende Erklärung dessen zu bieten, was ansonsten nur unverstandener glücklicher Zufall wäre.

  • Unser Anbetung wert**
    Die Gemeinschaft der Naturwissenschaftler kann als Wertegemeinschaft angesehen werden, welche die Werte der Eleganz, der Ökonomie und der Schlichtheit vertritt. Ehrlichkeit und Freigiebigkeit ihres intellektuellen Austausches sind eine unverzichtbare Basis ihres Arbeitens. In naturwissenschaftlicher Forschung und der Anerkennung moralischer Verpflichtungen, in ästhetischem Genuß und religiöser Erfahrung begegnen wir einer Welt, die auf allen Ebenen werthaltig ist. Das legt nahe, daß es eine Quelle dieser Werte gibt, deren Natur sich in all dem spiegelt, was er am Leben erhält: Gott.
    Nach Ansicht einiger Biologen sind Freude an der Natur und Leiden an ihren offensichtlichen Tragödien zwar nur Ausdruck des Überlebenskampfes "egoistischer Gene" (Richard Dawkins).Dies ist jedoch eine metaphysische Interpretation, keine naturwissenschaftliche Feststellung. Die Tatsache, daß uns das Problem von Schmerz und Leid beschäftigt, zeigt, daß diese Interpretation weit davon entfernt ist, unser menschliches Verlangen nach Sinn zu erfüllen. Selbst Dawkins beendet seinen Bestseller mit einem moralischen Apell.
     
  • Der Grund unserer Hoffnung
    Es hat mir nie eingeleuchtet, daß der Fortbestand der menschlichen Rasse oder der des Lebens selbst eine befriedigende Hoffnung darstellt, die der Geschichte dieser Welt Sinn verleihen kann. Eines Tages werden alle diese aus Kohlenstoff bestehenden Wesenheiten vergehen. Sterblichkeit kennzeichnet das ganze Universum, und ich möchte diese Einsicht in die Vergänglichkeit des Kosmos ernst nehmen. Dennoch gibt es im menschlichen Geist eine tiefe Intuition der Hoffnung. Wenn nun unsere Hoffnung, daß alles gut werden wird und die Welt letztlich Sinn macht, nicht nur eine eitle Illusion sein soll, dann muß Gott existieren. Wert und Integrität von persönlicher Erfahrung benötigen einen Geber und Erhalter der menschlichen Individualität über den Tod hinaus. Eine solche Hoffnung läßt sich meines Erachtens auch naturwissenschaftlich schlüssig ausformulieren.

Eine Skizze von Polkinghornes mit der Naturwissenschaft verträglichen Überlegungen zu einer Hoffnung für die Welt bietet die einführende Rezension.

* Das in der deutschen Übersetzung verwendete "Plan" für das englische "mind" sollte nach Meinung des Verf. dieses Polkinghorne-Specials besser durch "Gedanke" oder "Geist" übersetzt werden.

** Auch "der Anbetung würdig" ist zwar eine richtige Übersetzung, gibt aber nicht das Wortspiel wieder, welches Polkinghorne hier macht: Gott ist Quelle der Werte des Universums.