Dem protestantischen Theologen Werner Thiede zufolge wird der Mensch im Transhumanismus (anders als beim Posthumanismus) nicht abgeschafft, sondern technisch und digital überstiegen - eine Superintelligenz nicht ausgeschlossen. Thiede erwähnt TheologInnen, die dem Transhumanismus freundlich gegenüberstehen (wie Caroline Helmus, siehe in diesem Forum www.forum-grenzfragen.de/transhumanismus-der-neue-unter-gang-des-menschen/), oder ihn als reduktionistische Anthropologie (Johannes Hoff: www.forum-grenzfragen.de/transhumanismus-als-symptom-symbolischer-verelendung/) verurteilen. Thiede selbst moniert am Transhumanismus die technische Ablösung Gottes, die allenfalls auf ein innerweltliches Jenseits ziele. Es gelte daher die transhumanistischen Erlösungsphantasien zu entzaubern. hhp

Gesichtserkennung durch Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data ist - gerade in totalitären Staaten - ethisch umstritten. Jetzt kommt noch die Anwendung auf den Schlachtfeldern des Ukrainekrieges hinzu, die Identifizierung toter Soldaten, deren Gesichter mit Milliarden von Fotos aus social-media-Plattformen abgeglichen werden - übrigens 20 mal so viele wie dem FBI zur Verfügung stehen. Der Artikel wirft brisante ethische Fragen auf uns schließt: "Der Krieg ... schert sich um die Würde der Menschen herzlich wenig." - hhp

Unter der Überschrift "Was wir gelernt haben" fasst der Deutsche Ethikrat seinen Rückblick auf den Umgang mit der Corona-Pandemie zusammen. Fehler - auch systemische - werden benannt und Kriterien für künftige Verbesserungen vorgelegt. Dabei spielen die unterschiedlichen Formen der Vulnerabilität ebenso eine Rolle wie Gerechtigkeitserwägungen. Denn da nicht alle in gleicher Weise betroffen sind, bedarf es ethisch begründeter Güterabwägungen. In diese ist auch der Umgang mit Unwissen und Ungewissheit einzubeziehen, um nicht falsche Erwartungshaltungen gegenüber der Wissenschaft zu fördern, wie es im ausführlichen Originaltext heißt. Politische Entscheidungen und Maßnahmen als zwingende Verlängerung "der" wissenschaftlichen Faktenlage darzustellen, entspreche nicht der Vorläufigkeit und Falsifizierbarkeit empirischen Wissens. Eine solche epistemische Skepsis sei der Öffentlichkeit als Stärke der Wissenschaft zu kommunizieren und nicht als Schwäche, die einen Vertrauensverlust bewirke (www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-vulnerabilitaet-und-resilienz-in-der-krise.pdf, S. 122). Vgl. die Warnung vor einer Expertokratie durch Alexander Bogner in diesem Forum (www.forum-grenzfragen.de/wieviel-wissenschaft-braucht-die-gesellschaft/). Die Berliner Zeitung stört indes, dass "Kritik an allen Akteuren in der Pandemie – außer am Ethikrat selbst" geäußert würde (https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/ethikrat-ueberrascht-in-der-pandemie-waren-die-medien-oft-nicht-kritisch-genug-li.220688). - hhp

Es geht um das bayerische Volksbegehren "Rechte der Natur", das sich gegen das bestehende Rechtssystem wendet, in dem die Natur als Objekt angesehen wird. Stattdessen soll sie zu einer juristischen Person werden. Die Unterstützer der Initiative sind namhaft (Deutsche Umweltstiftung, Misereor ist angefragt) und international, wie Alberto Acosta Espinosa aus Ecuador, wo die Rechte der Natur Eingang in die Verfassung gefunden haben. Ähnlich will auch die vorliegende Initiative über Bayern hinaus und zielt letztlich auf das Grundgesetz. Die Aussage des Initiators des Begehrens, Eigenrechte der Natur kämen uns Menschen letztlich auch zugute, sind geeignet, auch anthropozentrische Bedenkenträger zu überzeugen. - hhp

Corona - und von diesem Kontext geht der Artikel aus - hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig Wissenschaftskommunikation ist: Ohne Wissenschaft keine politische Entscheidung zur Pandemie! Dennoch ist die Kommunikation oft schwierig und kommt an Grenzen. FU-Wissenschaftler und Politikberater berichten. Für Achim Brunnengräber ist ein Offenlegen wissenschaftlicher Ziele unerlässlich, gerade in Bürgerdialogen und im Dialog mit Laienexpertise. Für Christian Calliess ist "interne Beratung" am erfolgversprechendsten, wenn man vorausschauend und "gegen den Strom" denken kann. Ähnlich schätzt es Ronnie Schöb, wenn man sich auch mit Themen beschäftigt, die über die Tagespolitik hinausgehen. Für Sabine Kropp muss Wissenschaft einbezogen werden, entscheiden müsse aber die Politik. Die Pandemie habe gezeigt, dass die Vorläufigkeit, die Methode und normative Grundlagen des wissenschaftlichen Prozesses offengelegt und der Politik vermittelt werden müssen. Reinhold Leinfelder hält wissenschaftliche Beiräte, die fest als Gremien verankert sind, besser als ad-hoc-Gruppen. Gutachten sollten dabei öffentlich sein, damit sie nicht ignoriert werden, auch ihre mögliche Alibifunktion muss reflektiert werden. - hhp

In dem Interview bedauert Simone Horstmann bei der klassischen Theologie die "strukturelle Ausblendung der Tiere ... zugunsten des Menschen". Die Heraushebung des Menschen aus der Mitwelt müsse jetzt mit ökologischen Kosten bezahlt werden. Daher trage die Unterscheidung Mensch-Tier nicht mehr, und die großen Differenzen müssten aufgebrochen werden. Erst dann könne man vom Beherrschen zum Verstehen der Tiere übergehen. Durch die Tiere könne man die Vorstellung der Pyramide mit dem Menschen an deren Spitze überwinden, so dass Tiere zu Freunden werden können. Auch einen Himmel ohne Tiere kann Horstmann sich nicht vorstellen: "Wenn Tiere am Ende nicht zählen, können wir aufhören, schöne Reden von der Schöpfung zu schwingen". - hhp

Dr. Suzann-Viola Renninger und Prof. Dr. Thorsten Buch, beide MitarbeiterInnen beim Züricher Institut für Labortierkunde, vertreten die These, dass gesonderte Rechte für Primaten weder den Menschen noch den Tieren dienlich ist. Der geografische Kontext ist zum einen die Schweiz, welche die "Würde der Kreatur" in die Bundesverfassung aufgenommen hat, zum anderen der (abgewiesene) Versuch im Kanton Basel-Stadt Grundrechte für nichtmenschliche Primaten einzufordern. Die Autoren fragen nach der hidden agenda dieser Initiative, legen aber auch übertragbare Argumente vor, die gegen ein Sonderrecht für Primaten sprechen. So sei es schon biologisch abwegig, eine "anthropologische Differenz" zu bestreiten. Zudem führe es in eine rechtliche Schieflage, in einer Gesellschaft von Gleichen (also Menschen und Primaten) den Mitgliedern gleiche Grundrechte, aber nicht gleiche Grundpflichten einzuräumen: Töte ein Mensch einen Gorilla, sei dies Mord; töte ein Gorilla einen Menschen, sei dies weder moralisch noch gerichtlich zu verurteilen. - hhp

Wer dachte, dass Religion und Theologie so etwas wie ein Monopol auf die Themen Trauer, Sterben, Tod und Transzendenzbezug hätten, der irrt sich. Neuerdings wagt sich Künstliche Intelligenz ebenfalls in diesen Bereich vor. Programmierte und selbstlernende Algorithmen machen es möglich, eine Art digitale Unsterblichkeit zu kreieren, um nach dem (physischen) Tod mit Verstorbenen in Kontakt zu treten. Damit eröffnen sich ungeheure Möglichkeiten, die ebenso vielversprechend wie unheimlich sein können und Theologie und Ethik vor neue Herausforderungen stellen. - lm

Die Coronakrise stellt nicht nur die Naturwissenschaften, die Biologie und die Medizin vor neue und große Herausforderungen, sondern auch die Theologie. Eine angemessene theologische Deutung der Pandemie, die weder zynisch noch überheblich wirkt, fällt schwer. In diesem Beitrag versucht der Fundamentaltheologe Magnus Striet eine vorsichtige Annäherung an die komplexe Situation. Mit einem Zitat von Bonhoeffer macht er darauf aufmerksam, was es bedeutet, vor Gott zu leben als ob es Gott nicht gebe. In dieser Ambivalenz werde deutlich, dass der Mensch alles in seiner Macht Stehende tun solle, um die Situation zu verbessern. Gleichzeitig werde er so vor die Grenzen seiner Möglichkeiten gestellt. Dieses Bewusstsein der Endlichkeit der menschlichen Potentiale könne in ein erneutes Gottvertrauen münden. - lm

In einem Beitrag über Theologie und Wissenschaft ermahnt der Physiker Harald Lesch die KollegInnen seiner eigenen Zunft, stärker die Konsequenzen ihres Forschens und Handelns zu reflektieren. Er vermisse ethische Fragestellungen im naturwissenschaftlichen Bereich. Zudem sprach er sich dafür aus, dass die Theologie in der Öffentlichkeit stärker Stellung bezieht. - lm