GOTTES TREUE

AUF GOTTES TREUE IST UNBEDINGT VERLASS

 

Die Überlieferung 

Wenn man mit Rabbinern spricht, so wird eine Eigenschaft Gottes nie in Frage gestellt: seine absolute Treue zu seinem gegebenen Wort. Die Thora und die Propheten künden davon. Gottes Wort an Noah, das für alle Völker gilt; Gottes Bund mit Abraham, der am Sinai mit Moses weiter bekräftigt worden ist, nennt Israel das auserwählte Volk, das im verheißenen Land  leben soll. Allerdings verlangt ER auch Treue zu IHM. So heißt es bereits im ersten Gebot: „Ich bin der HERR dein Gott. Der dich aus Ägyptenland aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“  [Ex. 20, 2 u. 3] ; und bei Jeremia steht : „ Und ICH will einen ewigen Bund mit ihnen schließen, dass ICH nicht ablassen will, ihnen Gutes zu tun, und will ihnen Furcht vor mir ins Herz geben, dass sie nicht von mir weichen. Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun, und ich will sie in diesem Lande einpflanzen, ganz gewiss, von ganzem Herzen und von ganzer Seele.“ [Kap. 32 Verse 40 u. 41] Auch Christen neigen heute zunehmend zu der Auffassung, dass ein Bund, den Gott einmal  schließt, nie von IHM gebrochen wird.  In einem früheren Aufsatz zur angeblichen Schuld der Juden am Tode Jesu habe ich geschrieben bzw. zitiert:  

»»Der rheinische Synodalbeschluss bekennt die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes und erkennt, dass die Kirche durch Jesus Christus in den Bund Gottes mit seinem Volk hineingenommen ist. Wie entscheidend dieser Satz ist, lässt sich an dem einzigen Verwerfungssatz des rheinischen Synodalbeschlusses zeigen, der die Diskontinuitätsthese der antijudaistischen Tradition der Kirche verwirft:  »Wir stellen darum fest: Durch Jahrhunderte wurde das Wort >neu< in der Bibelauslegung gegen das jüdische Volk gerichtet: Der neue Bund wurde als Gegensatz zum ­alten Bund, das neue Gottesvolk als Ersetzung des alten Gottesvolkes verstanden. Diese Nichtachtung der bleibenden Erwählung Israels und seine Verurteilung zur Nichtexistenz haben immer wieder christliche Theologie, kirchliche Predigt und kirchliches Handeln bis heute gekennzeichnet. Dadurch haben wir uns auch an der physischen Auslöschung des jüdischen Volkes schuldig gemacht  >Neu< bedeutet darum nicht die Ersetzung des >Alten<. Darum verneinen wir, daß das Volk Israel von Gott verworfen oder von der Kirche überholt sei.«  Seit den 80-ger Jahren haben alle anderen Landeskirchen ähnliche Beschlüsse gefasst, und auch dem Vatikan sind solche Gedanken nicht mehr fremd; wenn auch die Durchdringung bis zum “Fußvolk” noch viel Zeit benötigen wird (Generationenfrage). Was 2000 Jahre eingebrannt ist, lässt sich nicht so leicht löschen. Die Orthodoxe Kirche hat die neuen Einsichten bisher nicht beachtet, sie praktiziert leider noch keinen Christlich-Jüdischen Dialog. Aus obigen Überlegungen erübrigt sich auch eine Taufe der Juden, da das Volk Israel bereits bleibend erwählt ist.  Martin Luther hat die heutigen Erkenntnisse nicht gehabt, er wollte Juden taufen, und war über seine Misserfolge derart enttäuscht, dass er die schrecklichen Judenbriefe verfasst hat, die die Nazis als Legitimation für ihr Handeln “verkauft” haben. ««

Totale Allmacht

Ich wurde im Gespräch verdächtigt Gott durch Hinweis auf seine Treue in eine „Schublade“  stecken zu wollen, und das ginge nicht. Gott macht immer was ER will, und das müssen wir so akzeptieren. Natürlich erkenne ich die Allmacht Gottes an, aber trotzdem halte ich an seiner Treue fest, denn es ist uns ja so überliefert worden; und eine brutal ausgespielte Allmacht kennt keine Treue. Beispiel Hitler, der 1938 das Münchener Abkommen unterzeichnete, das den Frieden sichern sollte, und das der britische Premier  Chamberlain so demonstrativ bei der Ankunft in England an der Flugzeugtür stolz der Presse gezeigt hat. “Ich habe seine Unterschrift, der Friede ist gerettet“ soll er gesagt haben.  Hitlers Kommentar dazu: „Nur ein Blatt Papier“, und so hat er es ja auch gehandhabt und Europa in den Krieg geführt.                                                                      Bei einem Gott ohne Treue ist auf nichts Verlass; Gebete und Fürbitten wären vergebens.

Himmel und Erde werden erschaffen   Naturgesetze

 „An Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, so beginnt im Buch der Genesis der Schöpfungsbericht. Gott schuf die Welt mit Raum und Zeit einschließlich der Naturgesetze, die so beschaffen sind, dass unser Kosmos hinreichend stabil bleibt, und sich Leben bis hin zum Menschen entwickeln konnte. Mit den Naturgesetzen meine ich die Gesamtheit der Gesetze, die sowohl den epistemologischen als auch den ontologischen Teil unserer Wirklichkeit abbilden. Mit anderen Worten: Sowohl das Geistige (die sog. QM- Potentialität [QM steht für Quantenmechanik]), als auch das faktisch Reale kann durch logisch widerspruchsfreie Mathematik beschrieben werden. Ein Umstand, der mich jedes Mal in größtes Erstaunen versetzt, wenn ich darüber nachdenke. Es sei hier angemerkt, dass die Suche nach immer umfassenderer Mathematik, aus der sich die Gesetze möglichst aller Teilbereiche der Physik herleiten lassen sollten, noch lange nicht abgeschlossen ist; sich vielleicht sogar als unmöglich erweisen wird . Aber das ändert nichts an meinem o.g. Erstaunen.

Alle „Wunder“ sind nur allegorisch zu deuten:   Dilemma

Auf einen Umstand möchte ich aber noch besonders hinweisen. Vor 1927, der Formulierung der QM durch Heisenberg, Schrödinger  u.A., gab es nur die ontologischen Naturgesetze unserer Faktenwirklichkeit, die sich seit Newton so bewährt hatten, dass man sie für vollständig hielt (materialistisches Weltbild). In dieses Weltbild passen z. B. die überlieferten „Wunder“ Jesu nicht hinein, denn Gott hätte ja dann seine eigenen Naturgesetze brechen müssen. Die eingangs erwähnte Treue Gottes, die ja auch zu seiner Schöpfung einschließlich der Gesetze gelten muss, wäre gebrochen. Das ist nicht akzeptabel, so der ev. Theologe Ernst Troeltsch (1865-1923), einer der Wegbereiter der histor.-kritischen Schriftauslegung.  Troeltsch deutet daher alle „Wunder“ nur allegorisch, einschließlich der Auferstehung  Jesu.   Das ist nun für meinen Glauben, und ich denke auch für den aller ernsthaften Christen eine nicht hinnehmbare Schlussfolgerung. Troeltsch ist zu früh verstorben. Die Erlösung aus dem Dilemma kam durch die Entdeckung der epistemologischen Naturgesetze im Zuge der Entwicklung der QM. Leider hat sich das unter den meisten Theologen bisher nicht rundgesprochen, da QM (noch) nicht zum theologischen Curriculum gehört.

Die QM beseitigt das Dilemma, hat aber Akzeptanzprobleme

Einfach war der Weg nicht. Es gab prominente Kritiker der QM, allen voran Albert Einstein, der die QM in das ontologisch-realistische Weltbild einpassen wollte, was aber nicht gelang, da Widersprüche auftraten (in Fachkreisen als EPR-Paradoxon bekannt, nach den Autoren Einstein, Podolsky u. Rosen benannt  1935). Erst John Bell konnte 1964, neun Jahre nach den Tode Einsteins zeigen, dass die von Einstein gewünschte Einpassung nie gelingen kann, da es sich genau umgekehrt verhält: Unsere ontologische Wirklichkeit (d.h. unsere Faktenrealität, die wir um uns herum erleben) ist ein Abkömmling der unendlich viel umfassenderen epistemologischen Wirklichkeit. Diese unser Weltbild verändernde Aussage musste auf experimentellem Weg bestätigt, oder falsifiziert werden.  In seiner Genialität hat Bell machbare Experimente vorgeschlagen, die erst in den letzten 30 Jahren mit immer größerer Präzision und einer schier unglaublichen Sicherheit durchgeführt werden konnten (zuletzt Zeilinger in Wien) und die die  Priorität der QM gegenüber der Faktenrealität voll bestätigt haben. „Materie ist nichts als geronnener Geist“, so hat es treffend H.P.Dürr, der Nachfolger Heisenbergs in München, einmal formuliert. Zugegeben, es fällt dem Menschen schwer das hier Gesagte voll anzunehmen, da es seine Vorstellungskraft echt  überfordert. Wie soll  aus Geist (der QM-Potentialität) Realität (Materie) entstehen?  Dieser sog. Dekohärenz-Prozeß, der laufend stattfindet,  kann nur mathematisch erfasst werden, wobei die dafür notwendige Mathematik komplexer Natur ist. Der Mensch kann sich nur reale, reelle Größen vorstellen, komplexe nicht. Deshalb hat Heisenberg einmal formuliert: „Über den letzten Grund der Wirklichkeit kann nur in Gleichnissen gesprochen werden.“  

Ich befürchte, es wird noch lange dauern, bis das die hier geäußerten Erkenntnisse Allgemeingut werden. Z.Zt. erlebe ich, selbst bei naturwissenschaftlich gebildeten Gesprächspartnern, häufiger Ablehnung  als Zustimmung.  Es ist ähnlich wie beim Kopernikanischen Weltbild, besonders in der Deutung von Giordano Bruno, das erst nach Entdeckung der Fixsternparallaxe 1838 durch Bessel alle Zweifler verstummen lies. Die QM ist die mit Abstand  am besten bestätigte Theorie  der Naturwissenschaft, aber ihre Deutung ist philosophisch noch nicht  abgeschlossen, was sicher daran liegt, dass die menschliche Vorstellungskraft begrenzt ist.

Möglichkeiten der QM-Potentialität  Komplexer Zahlenraum

Unsere Faktenwirklichkeit wird durch den uns gewohnten reellen Zahlenraum (Zahlengerade  -∞, 0 , +∞) vollständig beschrieben. Die Begrenzungen dieses Zahlenraumes begrenzen deshalb auch die möglichen Aussagen der materialistischen Naturgesetze. Für „Wunder“, außersinnliche Wahrnehmungen o.Ä. ist da kein Platz.  Solche Phänomene deshalb einfach zu negieren ist zwar bequem, aber viel zu kurz gedacht. Ich möchte an einem bekannten Beispiel zeigen, wie primitiv die Möglichkeiten des reellen Zahlenraumes gegenüber denen des komplexen sind.

[Einschub zur Erklärung: eine reelle Zahl A hat einen bestimmten Zahlenwert, z.B. a   auf der o.g. Zahlengeraden;  eine komplexe Zahl Z setzt sich aus einem reellen Wert a und einem imaginären Wert ib zusammen Z= a + ib wobei  auch b reell ist, und i ist die nicht vorstellbare Imaginäre Einheit, die als i 2 = -1,  bzw. i mal i = -1 definiert ist.  Carl Friedrich Gauß 1777-1855 schlug die nach ihm benannte Zahlenebene vor mit der reellen Zahlengeraden (für alle a) als Horizontalachse und der imaginären Zahlengeraden (für alle ib) als Vertikalachse. In dieser Darstellung stellt jeder Punkt der Ebene  eine komplexe Zahl  Z  mit den Koordinaten a & ib dar. Alle komplexen Zahlen mit b=0 liegen auf der gewohnten Zahlengeraden, sind daher unsere reellen Zahlen. Diese sind demnach ein Sonderfall, ein verschwindend kleiner Bruchteil aus der Menge der komplexen Zahlen. Einschub Ende]   

Zum angekündigten Beispiel: Die Funktion y = x+ c  (alle Zahlen reell) kann in einem X-Y Koordinatensystem  graphisch dargestellt werden. Man erhält für jeden Wert c eine Parabel, also für viele Werte c viele parallel verlaufende Parabeln. Sonst nichts.  Bei  komplexen Zahlen (z , c)  führt die gleiche Zuordnung durch die Iteration  z  ← z2 +c  zu den selbstähnlichen, unendlich feinen wunderschönen Strukturen in der komplexen Zahlenebene von c. Es ist das Verdienst von B. Mandelbrot (1924-2010), das herausgefunden zu haben. Schaut man sich einen Bildband dieser Mandelbrot-Mengen an, dann ist man von der atemberaubenden Vielfalt und damit von dem Potential, das allein schon in so einer einfachen Zuordnung steckt, überwältigt. 

Um die Möglichkeiten der QM-Potentialität beschreiben zu können, muss man zu Operatoren des komplexen Hilbert-Raumes zurückgreifen! Nur dann schafft die Mathematik die unendliche Vielfalt der QM-Potentialität widerzuspiegeln. Salopp ausgedrückt könnte man sagen: In der QM-Potentialität ist alles möglich, genauso wie seinerzeit der Engel  zu Abraham sprach „Bei GOTT ist nichts unmöglich“.  

Konsequenzen für Physik und Theologie

Wirkungen in unserer Faktenrealität können, wie schon erwähnt, ursächlich durch Dekohärenz-Prozesse aus der QM-Potentialität erzeugt werden.  Daher kann unsere ontologische Wirklichkeit weder deterministisch noch  kausal geschlossen sein. Nur wenn Ursache und Wirkung innerhalb des Faktischen liegen, dann gelten für solche Vorgänge Determinismus & Reproduzierbarkeit also die klassischen Naturgesetze des materialistischen Weltbildes. Wir müssen aber lernen zu akzeptieren, dass diese  Naturgesetze nur einen Teil, eine Untermenge, aller möglichen Wirkungen in unserer Welt beschreiben. Das ist eine Herausforderung für stehengebliebene Physiker und zugleich die Chance für frustrierte Theologen.

Ich kann jetzt sagen: „Auf Gottes Treue ist unbedingt Verlass!“ ER hat die Gesetze seiner Schöpfung so umfassend geschaffen, dass auch Dinge passieren können, die das materialistische Weltbild sprengen. An die Auferstehung unseres HERRN Jesu kann ich glauben, ohne dass ER seine Gesetze dafür brechen müsste. Für mich wirkten diese Erkenntnisse geradezu befreiend, denn im Laufe meines Lebens steckte ich jahrelang im gleichen Dilemma wie Troeltsch. Ich bin froh und dankbar, dass mein erneutes Studium der QM mich daraus befreit hat.

Benutzte Literatur

 Prof. Dr. Bertold Klappert:„Miterben der Verheißung“  ISBN 3-7887-1760-2   Aus diesem Werk stammen die Gedanken zur bleibenden Erwählung Israels in Gottes Bund und die auch zum Rheinischen Synodalbeschluss geführt haben. 

Dr. Hans-Jürgen Fischbeck:Die Wahrheit und das Leben“   ISBN  3-8316-0482-7 Dies ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung einer Seminarreihe, die Dr. Fischbeck in den Jahren 1994-2002 an der Ev. Akademie in Mülheim a.d. Ruhr zum Thema „Mit dem heutigen Wissen den Glauben denken“ gehalten hat. Dieser Seminarreihe verdanke ich die Erkenntnis zur Bedeutung der QM für unser Weltbild. 

Prof. Dr. Brigitte Falkenburg: „Mythos Determinismus“  Wieviel erklärt uns die Hirnforschung?                        ISBN 978-3-642-25097-2 Die Verfasserin hat in akribischer Fleißarbeit sich durch alle Bereiche der Physik gearbeitet und weist nach, dass unser Weltbild nicht kausal geschlossen sein kann, ein Zeitpfeil existiert und der Determinismus ad  acta gelegt werden kann. Für mich war sehr bemerkenswert, dass sie zu ihren Schlüssen kommt, ohne intensiven Rückgriff in die QM zu tätigen.   

Prof. Dr. Shimon Malin:Dr. Bertlmanns Socken.“ Wie die Quantenphysik unser Weltbild verändert                                                                                                                 ISBN 978-3-499-62058-4 Hier wird sehr schön erklärt, das unsere Faktenrealität permanent aus der QM- Potentialität durch Dekohärenz-Prozesse geschaffen wird.

Prof. Dr. Lothar Schäfer:  „Versteckte Wirklichkeit“   ISBN  978-3-7776-1308-6 u. „Infinite Potential“                  ISBN 978-0-307-98595-8 Beide Bücher beschreiben die unendliche Potentialität die den ganzen Kosmos prägt und zeigen auf, dass es ein kosmisches Bewusstsein gibt an dem unser persönliches Bewusstsein partizipiert.

Dr. Peter Kleinert: „Ist die Philosophische Theologie am Ende?“ Zur prinzipiellen Kompatibilität von philosophischen, theologischen und naturwissenschaftlichen Argumenten. ISBN 978-3-95538-006-9.  Anspruchsvoller Text, der sich, besonders in den Anhängen,  an mathematisch vorgebildete Leser wendet.  

H.-O. Pleitgen & P.H. Richter: „The Beauty of Fractals” Images of Complex Dynamical Systems                           ISBN 3-540-15851-0  Bildband der Mandelbrot-Mengen.  Überwältigend schön dargestellt.

 

Dr. Georg Linke   Aachen, im Oktober 2014

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