Genome Editing: Ein Update

Anfang Juli wird auf dieser Seite ein Leitartikel zum Thema Genome Editing von mir erscheinen. Begleitend dazu gibt dieser Artikel einige Erläuterungen zum derzeitigen Stand des Genome Editing - darunter eine Kontroverse, ob CRISPR tatsächlich so präzise arbeitet wir oft behauptet.

Wie der Leitartikel erläutern wird, wurden jüngst Versuche aus China publiziert, entwicklungsfähige menschliche Embryonen mit CRISPR zu modifizieren. Dabei dürfte es sich um das aussagekräftigste Ergebnis zur gegenwärtigen Leistungsfähigkeit von CRISPR handeln. Alle publizierten Studien zu modifizierten menschlichen Embryos stammen aus China. Die jüngste Studie wurde in der Zeitschrift Molecular Genetics and Genomics publiziert. Eigenartigerweise wurden alle drei chinesischen Studien zum Genome Editing in Zeitschriften des Springer-Verlags veröffentlicht, und Molecular Genetics and Genomics gehört mit einem Impact Factor von knapp 3 nicht zu den Zeitschriften mit großer Wirksamkeit. Unter den Autoren der drei chinesischen Studien gibt es außerdem keinerlei personale Kontinuität.

 

Zudem gab es kürzlich eine Kontroverse, ob CRISPR möglicherweise überschätzt wird. Eine im Umfang recht begrenzte Studie in der Zeitschrift Nature Methods war hier potentiell brisant, da sie von hunderten von signifikanten, unvorhergesehenen Mutationen sprach, die CRISPR in Mäusen bewirkt habe. Das Neue an dieser Studie war, wie man potentielle Mutationen aufspürte. Konventionell geschieht dies mit Software-gestützten Vorhersagen von wahrscheinlichen oder potentiellen Mutationen. Denn Mutationen geschehen nicht im strikten Sinne willkürlich; in bestimmten Nukleotid-Kombinationen und an bestimmten Loci sind sie wahrscheinlicher als andernorts. An den wahrscheinlichen Stellen der Chromosome prüfte man die DNA dann gezielt. Hier dagegen sequenzierte man das Genom der modifizierten Mäuse komplett, um die Ergebnisse dann mit dem sequenzierten Genom einer nicht-modifizierten Maus zu vergleichen. Auf der Suche nach genetischen Veränderungen verwendete man also nicht die Methode der Rasterfahndung, sondern man suchte die Stecknadel im Heuhaufen, indem man jeden Strohhalm einzeln beiseite legte.

 

Allerdings gab es auch viel Kritik für diese Studie. Die modifizierten Mäuse waren Geschwister, während die Mause Kontrollgruppe nicht direkt verwandt war. Damit könnten genetische Differenzen natürlicher Art sein und nicht auf Mängel von CRISPR zurückzuführen sein. Man hätte dieselben Mäuse vor dem Eingriff und danach sequenzieren müssen, anstelle die modifizierten Mäuse mit einer nicht-modifizierten zu vergleichen. Es könnten auch Mutationen auf die Art zurückzuführen sein, wie CRISPR in die Zellen eingeführt wurde, nämlich mit einer bestimmten Art von Virus, der zusätzliche Mutationen verursachen kann. Außerdem kamen nicht die neuesten CRISPR-Varianten zum Einsatz. Und schließlich war die Größe der Stichprobe mit nur zwei Mäusen und einer Kontrollmaus sehr klein.

 

Interessant ist an dieser Kontroverse auch die Tatsache, dass das Paper für ein merkliches Sinken der Aktienkurse der Unternehmen gesorgt hat, die mit therapeutischen Produkten sehr auf CRISPR setzen: Die Kurse von Editas Medicine, CRISPR Therapeutics und Intellia Therapeutics sanken um bis zu 14 %. Editas und Intellia haben öffentlich auf die Studie reagiert und die Autoren des Papers scharf kritisiert. Es ist gut möglich, dass die festgestellten genetischen Differenzen zwischen den „editierten“ Mäusen und der „Kontrollmaus“ nicht auf CRISPR zurückzuführen sind. Der Überprüfung bedürfte auch, ob bei der Verwendung von CRISPR selbst keine menschlichen Fehler unterlaufen sind.

 

Sinnvoll wäre es allerdings, Experimente in Zukunft verstärkt mit einer vollständigen Genomsequenzierung auszuwerten. Das macht die Forschung natürlich deutlich teurer, dürfte aber für verlässlichere Resultate und größeres öffentliches Vertrauen sorgen.

 

Die Modifikation von menschlichen Embryonen ist natürlich besonders heikel, einerseits da der Gebrauch von Embryonen in Deutschland vom Embryonenschutzgesetz klar eingeschränkt wird, andererseits da potentielle Fehler bei der Modifikation eines Embryo besonders drastische Folgen haben können. Die andere Seite des Genome Editing ist dagegen die somatische Modifikation, also die Modifikation bestimmter, einzelner Zellen nach der Geburt, wobei Eizelle oder Samen nicht betroffen sind. Außerdem würde sich die Modifikation nicht in zahlreichen anderen Zellen finden, die von der modifizierten Zelle abstammen würden – das wäre nur bei den Zellen des Embryo der Fall. Somatische Eingriffe finden stromabwärts, nicht stromaufwärts statt.

 

Im Laufe des Jahres werden wir vermutlich eine Fülle neuer Erkenntnisse über diese somatischen Eingriffe erhalten. Ein bestehendes Projekt verwendet die somatische Therapie an Krebs-Patienten in China, und ein ähnliches Projekt wird in den USA gestartet. Darüber hinaus werden aber im Augenblick oder in Kürze 20 verschiedene neue Versuche in diesem Bereich gestartet. Ein chinesischer Ansatz besteht darin, das Humane Papillomavirus (HPV) in Patienten zu beseitigen, das Gebärmutterkrebs verursachen kann. Die Zeitschrift New Scientist spricht von einem „Boom“ in der Genomchirurgie am Menschen.

 

Schließlich wird der Leitartikel auf einige einschlägige Voten zur ethischen Debatte verweisen. Hier sind aus dem Jahr 2015 auf Veröffentlichungen der Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zu nennen.

 

Im vergangenen Jahr hielt der Deutsche Ethikrat seine Jahrestagung zum Thema Genome Editing und versantaltete daraufhin ein trilaterales Treffen mit Experten aus Großbritannien und Frankreich. Daran waren auch Vertreter des britischen Nuffield Council on Bioethics beteiligt, der letztes Jahr den ersten, beschreibenden (noch nicht bewertenden) Teil einer ethischen Studie zum Genome Editing vorgelegt hat.

 

International von größter Bedeutung dürfte dagegen die Einschätzung der amerikanischen National Academies of Sciences aus diesem Frühjahr sein, über die ich auch hier geschrieben habe. Dieses Gremium spricht sich zugunsten therapeutischer Eingriffe auch in die Keimbahn aus. Neben Großbritannien waren gerade die USA schon immer führend in der molekularbiologischen Forschung, doch die Genmodifikation wurde im wesentlichen dort entwickelt, und zumindest zwei von drei AnwärterInnen auf CRISPR-Patente leben und arbeiten in den USA (Jennifer Doudna: University of California in Berkeley; Feng Zhang: Broad Institute, Boston, USA; ferner Emanuelle Charpentier, Max-Planck-Institut Berlin). Die führenden kommerziellen Unternehmen, die therapeutische Verfahren der Genmodifikation an den Markt bringen, sind ebenfalls in den USA ansässig – und hier gibt es nicht zufällig räumliche und personalle Überschneidungen mit den federführenden Forschern:

  • Editas Medicine (Feng Zhang, George Church), Cambridge, Massachusettts
  • Caribou BioSciences (Jennifer Doudna, Martin Jinek), Berkeley, Kalifornien
  • Intellia Therapeutics (mitgegründet von Jennifer Doudna), Cambridge, Massachusettts
  • CRISPR Therapeutics (Emmanuelle Charpentier), Cambridge, Massachusettts

Eine weitere Firma, die sich auf ältere Verfahren der Genomchirurgie konzentriert, ist Sangamo in Richmond, Kalifornien.

 

Zu diesen ethischen Stellungnahmen kommt hinzu kommt noch die kurz darauf veröffentlichte Studie des Europäischen Rates des Wissenschaftsakademien EASAC. Ebenfalls im März veröffentlichte die Leopoldina ein Diskussionspapier von elf Fachexperten, die für eine Änderung des deutschen Embryonenschutzgesetzes zur Legalisierung der Forschung an bestimmten Embryos plädierten.

 

Bilder:

  • Genome editing: yourgenome, Image credit: Genome Research Limited (flickr)
  • Bulle und Bär, von Eva K. CC BY-SA 2.5,
    commons.wikimedia.org/w/index.php
  • Neutrophil: Illustration von Jill George mit Bildern des National Human Genome Research Institute und dem National Institute of Allergy and Infectious Diseases

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