"Let’s fall in love!"

Fragen zum "Emotions-Enhancement" am Valentinstag

In einem Interview der Zeit wirbt der Philosoph Julian Savulescu von der Universität Oxford für die Idee eines Hormonsprays, mit dem ein Paar den Gefühlen füreinander ein wenig aufhilft, wenn nach Jahren der Gemeinsamkeit ein wenig emotionale Flaute herrscht: "Ein Nasenspray kann die Beziehung festigen". Mit Oxytocin oder Vasopressin ließe sich biologischen Trends, die eine Trennung oder einen Seitensprung nahelegen würden, entgegenwirken. In der Literatur ist die Rede vom emotionalen Enhancement, einer Option im Arsenal der – weitgehend futuristischen – sog. biomedizinischen Selbstoptimierung.

Häufiger liest man in den Medien von einer anderen, ähnlichen Art des Enhancement, vom "kognitiven Enhancement" mit Methylphenidat/Ritalin. Diese Variante scheint zumindest von der Umsetzbarkeit her weniger futuristisch. Die Autorin Kathrin Passig setzt sich sehr für diese Art der Selbstoptimierung ein, insistiert aber darauf, dass das kognitive Enhancement tatsächlich wesentlich seltener zum Einsatz kommt, als es in den Medien oft heißt (etwa in dieser Verteidigung). Die Wirksamkeit ist in Passigs Fall zwar plausibel, doch zugleich handelt es sich medizinisch bei ihr um einen Sonderfall, und wissenschaftlich erwiesen ist die Wirksamkeit nicht [1]. Die Frage nach Nebenwirkungen bedarf ebenfalls der Klärung.

Die Idee des emotionalen Enhancement hat Savulescu gemeinsam mit Anders Sandberg in verschiedenen Artikeln erläutert, etwa im New Scientist (in der Rubrik "The Big Idea", online: "Love Machine: Engineering Lifelong Romance").

"Let‘s fall in love" heißt es auch in Cole Porters Song: "Birds Do It. Bees Do It. Even Educated Fleas Do It." Sollte man hier vielleicht nicht allzu kritisch reagieren, sondern fünfe gerade sein lassen – zumal es mit der Stärkung der Institution Ehe anscheinend um eine gute Sache geht?

Worum es geht: ein bestimmter Enhancement-Vorschlag und das leitende Menschenbild

Ich finde das Thema des emotionalen Enhancements aus zwei Gründen aufschlussreich. einmal geht es um eine spezifische Anwendung. Für unser tägliches Wohlbefinden sind emotionale Bindungen sehr wichtig, aber auch in jeder tiefergehenden Besinnung auf Sinn und Zufriedenheit im Leben. Direkt, unmittelbar lässt sich emotionale Erfüllung aber normalerweise nicht erzielen, sondern nur im Windschatten von erfüllenden Ereignissen und Beziehungen, und so lautet die potentielle Kehrseite der Erfüllung Enttäuschung. Könnte da nicht die Manipulation sehr persönlicher Emotionen die Enttäuschung mindern?

Vermutlich nehmen die genannten Autoren an, dass es eine genetische Basis unserer emotionalen Fähigkeiten gibt, denen das Spray aufhelfen soll. Wenn es eine solche genetische Basis gibt, könnten wir sie vielleicht eines Tages modifizieren. Warum nicht das Schicksal in die Hand nehmen und, wie Savulescu gerne sagt, den Menschen die Möglichkeit geben, ihr bestes Leben zu leben? Andererseits fragt sich, ob ein solches Enhancement nicht das Risiko eines inauthentischen Lebens birgt und ihm die Tiefe nimmt.

Der zweite Grund, aus dem ich das Thema aufgreife, besteht darin, dass die Evolution hier auf besondere Weise ins Spiel gebracht wird. Es dürfte sich um ein repräsentatives Beispiel dafür handeln, wie der Enhancement-Diskurs den Menschen sieht. Der Artikel im New Scientist unterstreicht die Evolution im einleitenden Überblick, in den ersten drei Absätzen und ganz am Ende ("die Evolution überlisten", "der Evolution entkommen"). Savulescu und Sandberg sind überzeugt, dass wir "alle Hilfe benötigen, um uns von der Evolution zu befreien." In einem anderen Artikel ist ein Abschnitt der "Rolle der Evolution in der Aufklärung und Behandlung der Zerbrechlichkeit der Ehe" gewidmet. Es ist also kein Zufall, dass Savulescu seinen Beitrag zur traditionellen Debatte der Oxford Union zum Thema Genmanipulation mit einer Kritik der Evolution (nicht der Theorie, sondern des Prozesses) eröffnete:

"Die Lage der Dinge ist, dass wir alle das Gene-Editing nötig haben. Das menschliche Tier ist kein fein ausbalanciertes Meisterwerk der Erschaffung oder des Designs durch Gott. Es ist das Ergebnis der ad-hoc-Selektion unter dem Druck der je herrschenden Umweltbedingungen. 250 genetische Krankheiten. Menschliche DNA enthält Viren [und] rezessive Mutationen, die für Ihren Nachwuchs lebensbedrohliche Krankheiten bewirken können."

Die Evolution sei auch bei den hohen Trennungs- und Scheidungsraten im Spiel. Unsere emotionalen Fähigkeiten seien biologisch festgelegt durch Begrenzungen unseres Hormonhaushaltes. Die Evolution habe sie in der Steinzeit festgelegt, und entsprechend reichen sie bloß hin für die mittlere Dauer einer Paarbeziehung der Steinzeit-Menschen. Inzwischen ist die Lebenserwartung allerdings deutlich gestiegen, und einer Beziehung, die diese Grenze überschreitet, gehe der emotionale Treibstoff aus.

Forschungen zum Paarungsverhalten von Wühlmäusen zeige jedoch, wie sich hier Abhilfe schaffen ließe. Die monogame Rocky-Mountains-Wühlmaus schütte einfach mehr Oxytocin aus als die polygame Prairie-Wühlmaus, und daraus ergibt sich die Verschreibung für die Ehekrise des Homo sapiens.

Alternativ bieten Savulescu und Sandberg in einem anderen Artikel die Erklärung an, dass das Problem nicht in der Lebenserwartung der Steinzeitmenschen liegt, aus der sich die Hormonausschüttung ergebe, sondern aus den unterschiedlichen evolutionären Strategien, mit denen Männer und Frauen ihre Darwinsche Fitness erhöhen, also die Wahrscheinlichkeit, mit der einerseits Männer, andererseits Frauen dafür sorgen, dass ihre Gene im zukünftigen Genpool gut vertreten sind. Da Zeugung und Kinder für den Mann physiologisch wesentlich kostengünstiger sind, seien anhaltende Vitalität und Seitensprünge eine vorteilhafte Strategie für ihn. Frauen werben dagegen um Hilfe beim Kinderaufziehen, schließlich ist Vater-Sein schwerer als Vater-Werden. So setzt sie mit Zärtlichkeit und Zuneigung auf subtilere – und physiologisch kostengünstigere – Mittel als den Geschlechtsverkehr. Von dem sozialphilosophisch unwegsamen Gelände von Sex und Gender mal ganz abgesehen, lassen die Autoren offen, für welche der beiden Erklärungen man sich nun entscheiden solle.

Was hat es mit der Beschreibung des „Tieres Mensch“ auf sich, welche Rolle genau spielt hier die Evolution? Diesen zweiten Aspekt des emotionalen Enhancements wird ein späterer Blogpost behandeln.

Prosecco, Rosen, Nasenspray

Scheidungszahlen belegen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wenn die emotionale Bindung bestehen bleibt, obwohl der Charm des Neuen nachlässt. Naiv, wer ein rein emotional-romantisches Modell der partnerschaftlichen Bindung vertritt, in dem die Schmetteringe im Bauch unvermittelt aus dem nichts kommen – oder auch nicht. Eine krisenfeste Beziehung pflegen Paare mit aufmerksamen Gesten und der Pflege guter Gewohnheiten. Der Transhumanist Allen Buchanan weist darauf hin, wie Paare einen romantischen Kurzurlaub organisieren, ohne Kinder, aber mit Wellness und einem Glas Sekt.

Auch absichtsvolle Methoden, die Beziehung zu pflegen, haben ihren Ort. In dem einen oder anderen Fall können sie freilich an Manipulation grenzen. Eine Kommilitonin bekam einmal 100 rote Rosen von ihrem Verehrer geschenkt. Sie ließ sich aber nicht beirren und verschenkte die Blumen im Altenheim weiter. Savulescu und Sandberg geht es auch keineswegs darum, wie man Gefühle bei jemand anderem hervorrufen könnte. Doch selbst ihre Absicht, die eigene Gefühlswelt zu gestalten, weist auf die Schwierigkeit hin, dass sich unsere persönlichen Beziehungen, sowohl romantischer als auch freundschaftlicher Art, sich dem direkten Zugriff entziehen. Res severa verum gaudium - echte Freude lässt sich nur schwer herstellen.

Viele soziale Beziehungen können eine gewisse Dimension der Manipulation beinhalten. Zu den Faktoren, die wir schlecht beeinflussen können, verhalten wir uns teilweise pragmatisch. Wir bleiben uns möglichst treu, solange Manipulation nicht überhand nimmt. Ist dieses oder jenes potentielle Szenario unseres Lebenswegs stimmig angesichts meiner Identität? Die Sinnhaftigkeit meiner Lebenssituation steht hier im Zentrum. Gewiss dehnen oder revidieren wir unsere persönlichen Prioritäten. Schließlich sind wir nicht "fensterlose Monaden", deren Identität schon feststeht, bevor uns soziale Bindungen prägen. Doch wollen wir uns ungern auf ein Prokrustesbett legen, auf dem mich andere in die gewünschte Länge ziehen. Letztlich wirft das Emotions-Spray die Frage auf, ob ich hier meine persönliche Autonomie lediglich erweitere oder ob das Manipulationspotential nun auch noch auf eine zweifelhafte Selbstmanipulation ausgedehnt wird.

Welchem Zweck dient die Hormondusche?

Das Scheitern einer Beziehung ist gewiss allzu oft zu bedauern. Auch die Anzahl an späten Scheidungen, etwa nach 25 Ehejahren, steigt. Andererseits kann es auch eine gute Sache sein, wenn eine problembeladene Partnerschaft endet. Eine bestimmte Beziehung mag einfach nicht gut für jemanden sein. Wenn eine Ehe gefährdet ist, ist Beratung sicher angezeigt, wie auch Savulescu und Sandberg meinen. Doch sollte die Erhaltung der Ehe tatsächlich zusätzlicher biochemischer Instrumente bedürfen?

Eine Paarberatung dürfte zunächst auf Hilfestellung zur Rettung einer Ehe aus sein, die beiden Partnern gerecht wird – aber nicht um jeden Preis. Die Aufrechterhaltung einer Ehe kann eine ambivalente Sache sein. Ein Zeitungsbericht reflektiert über einen Wandel der Scheidungsfälle:

"Gleichzeitig reichen häufiger Frauen die Scheidung ein, die ihre Silberhochzeit hinter sich haben. Sie sind, wie die Autorin Sissi Traenkner feststellt, selbständiger und mutiger als früher: 'Noch vor 15 Jahren war es für Frauen viel schwieriger, mit über 50 Jahren allein dazustehen', sagt Traenkner."

Es gibt Fälle, in denen die Versuchung besteht, Schwierigkeiten runterzuschlucken und nicht zu empfindlich zu sein, wenn die Beziehung manipulative oder andere ungerechte Züge zeigt. Ein Nasenspray könnte hier Gewissensbisse übertönen. Menschen können bisweilen eine eigenartige Loyalität zu einem Partner aufweisen, der sie physisch, emotional, ökonomisch oder auf andere Weise ausnutzt. Hier bedeuten Bedenken aufseiten der benachteiligten Person ein leises Alarmsignal. Dass wir solche Bedenken bisweilen nicht zulassen wollen und sie ausblenden, zeigt immerhin eine innere Differenz an, in der wir uns nicht vollkommen selbst in der Hand haben. Ein solcher Balance-Akt der inneren Stimmigkeit und der Sinnwahrnehmung wird leichter verborgen bleiben, sollten wir ein wirksames Hormonspray zur Hand haben.

Kann ich mich selbst manipulieren?

In der Frage der Stimmigkeit unserer inneren Sinnwahrnehmung haben wir es mit uns selbst zu tun, und dabei tritt eine eigenartige "Tücke des Objekts" auf. Iain Brassington, Philosoph und Jurist, überlegt im Blog des Journal of Medical Ethics:

"Aber … wenn du merkst, dass dieses Gefühl zu dem Zeitpunkt aufkam, an dem du begonnen hast, Oxytocin zu nehmen … ja, könnte das nicht dem Gefühl im Weg stehen? Würde eine Person, die selbst weiß, dass sie die Chemikalien genommen hat, jemals ihre eigenen Gefühle ernst nehmen können? Die Sache ist keineswegs so klar."

Sogar ein(e) Betrunkene(r) könnte sagen: "Ich fühle mich von dieser Person sehr angezogen – aber vielleicht waren das auch nur zwei Gläser zu viel..." Menschen fragen auf einem sehr elementaren Level nach Stimmigkeit und Sinn. Das gilt für beide Partner in einer Beziehung, meint Brassington: "Wenn du wüsstest, oder vermutest, dass dein Partner Oxytozin nimmt, um die Emotionen lebendig zu halten, würde das nicht die Lage verändern?" Wenn es uns auf Dauer gelänge, uns selbst - oder auch einander - reinzulegen, wäre das nicht besorgniserregend?

 

 

[1] So der Artikel "How to keep your brain sharp" in der Zeitschrift BBC Focus 304, 2. Februar 2017.

 

Bilder

Julian Savulescu: Andy Miah, flickr.

Anders Sandberg: David Orban, Wikimedia Commons.

The evolution of humans: Tkgd2007, Wikimedia Commons.

Waldwühlmaus: Hanna Knutsson, flickr.

Champagner: Max Pixel, FreeGreatPicture.com (CC0).

Paar/Ehescheidung: Tumisu, Pixabay.

Nasenspray: robin_24 - www.flickr.com/photos/robin24/5222119114/in/photostream, CC BY 2.0, commons.wikimedia.org/w/index.php

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