Der Biologe und Anthropologe Carel van Schaik beteuert in dem Interview, zwischen Natur- und Geisteswissenschaften Brücken bauen und den "Streit um Natur gegen Kultur" befrieden zu wollen. So sei Kultur stärker als manche Biologen annähmen. Und die Biologie wolle auch keinen normativen Anspruch erheben, sie könne aber eine Verstehenshilfe sein. Die Behauptung, das Patriarchat sei eine Strafe Gottes, könne man allerdings als eine "Lüge über Eva" bezeichnen. Am Patriarchat seien weder Gott noch die Biologie schuld, Gleichberechtigung sei in der Evolutionsgeschichte zu 99% die Normalität gewesen. Und van Schaik findet es erstaunlich, dass trotz Jesu Wertschätzung von Frauen sich in seinem Namen "eine so misogyne Institution wie die katholische Kirche" entwickeln konnte. (Vgl. van Schaik in unserer Videodokumentation www.forum-grenzfragen.de/schoepfung-im-spiegel-evolutionaerer-anthropologie/) - hhp

Das Interesse am Klimawandel ist längst nicht groß genug. Die Wissenschaftsjournalistin Lena Puttfarcken vermutet, dass wir den Klimawandel immer noch zu distanziert wahrnehmen. Die zunehmenden Hitzerekorde, Waldbrände, Überflutungen etc. ließen zwar die Risikowahrnehmung zunehmen, von einem Denken in Kippelementen oder über 2050 hinaus sei man aber noch weit entfernt. Da dies in der gesamten Menschheitsentwicklung nicht notwendig war, ist unser Gehirn dafür schlicht nicht ausgelegt. Gegensteuern könne man, indem man mehr über Einzelmaßnahmen statt über abstrakte Temperaturziele spricht und mehr über Klimapolitik statt über persönlichen Verzicht. Damit dringt die Autorin wahrscheinlich zur Kernfrage der gesamten Debatte um die Bekämpfung des Klimawandels vor: Welcher Hebel wirkt? Ist es die individuelle Verhaltensänderung oder sind es systemische und politische Maßnahmen? - hhp

Der bekannte Biologiehistoriker Thomas Junker beklagt sich hier über "eine eigenartige neue Spezies: Darwinisten, die sich nicht für die Biologie interessieren". Viele dieser "Salon- oder Pseudo-"Darwinisten hätten die Evolution zur Religionskritik genutzt, parteipolitisch oder weltanschaulich missbraucht, aus der Biologie dann aber letztlich keine lebenspraktischen Konsequenzen gezogen. Im Gegenteil: Junker identifiziert unter den neuen "Darwinisten ohne Biologie" geradezu "Biologiehasser", die sofort Biologismus wittern, sobald es um menschliches Verhalten geht. Wenn es Junker demgegenüber um "biologische Grundlagen menschlichen Verhaltens" ('Grundlagen', nicht 'Determinanten') geht und um die Klärung, "ob es eine biologische Erklärung geben könnte und wie weit sie trägt", dann ist dem sicher zuzustimmen. Nur sollte man darüber hinaus nicht verkennen: Zwar neigen Biologiehasser zum Biologismusvorwurf, aber nicht hinter jedem Biologismusvorwurf steckt ein Biologiehasser!

- hhp

Der Artikel fasst die Reaktionen auf die gegen die Genderforschung gerichteten Äußerungen des Biologen Ulrich Kutschera mit entsprechenden Links auf die Originalquellen zusammen. Stein des Anstoßes war ein Interview des Biologen, in dem er die Genderforschung mit Krebsgeschwür und Kreationismus verglich und (mal wieder) die Überlegenheit der 'faktenbasierten' Naturwissenschaft über andere Wissenschaften, wie z. B. die "Sozialkunde", beschwor. Der Asta beschwerte sich, und die Hochschulleitung mahnte den "Respekt gegenüber anderen wissenschaftlichen Disziplinen" an. Kutschera reagierte seinerseits mit dem Hinweis, er habe schließlich rein fachwissenschaftlich argumentiert. Eine fachwissenschaftliche Bescheidenheit merkt man allerdings Pauschalurteilen wie "Männer wollen einfach eine nette Frau, mit der man nicht viel diskutieren muss" kaum an. Sind Männer nur "Urviecher", oder vielleicht doch auch Kulturwesen?

- hhp

Das neue Buch des Evolutionsbiologen Axel Meyer wende sich gegen die Gender-Forschung und stelle dies als "Konflikt zwischen Natur- und Geisteswissenschaften" dar. Im vorliegenden Interview stellt Meyer den weitgehenden Einfluss der Gene auf die Geschlechterdifferenz heraus, und hier gehe es "um wissenschaftliche Evidenz ... nicht um Philosophie, nicht um Ideologie". Die Anfrage, selbst ideologisch, sprich "biologistisch" zu sein, weist Meyer von sich: Es sei durchaus nicht alles genetisch determiniert. Nur werde "mit ideologischem Impetus vollkommen übertrieben versucht, alles gleichzumachen". Nach den umstrittenen Äußerungen des Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera sorgt nun auch Meyers Beitrag für eine Wiederbelebung der alten "nature vs. nurture"-Debatte.

- hhp

Der Philosoph und Kognitionswissenschaftler Daniel C. Dennet und der Medienwissenschaftler Deb Roy wagen einen interessanten Vergleich. Wie im Kambrium die zunehmende Transparenz der Meere zu einer Explosion der Arten und neuer Verhaltensstrategien führte, so wird die heute zunehmende Datentransparenz ebenfalls zu einer Explosion neuer Organisationen und neuer Verhaltensstrategien führen. Damals wie heute sind neue Flexibilitäts- und Schutzmechanismen gegen die drohende Transparenz überlebenswichtig. Die Autoren betonen dabei weniger die Privatsphäre der Individuen, vielmehr liegt ihnen an der Abschottung der Institutionen: "Trotz aller politischen Phrasen über die segensreichen Vorzüge der Transparenz herrscht in den Zentren der Macht weiterhin Geheimhaltung - und das aus gutem Grund". Und den guten Grund liefern natürlich die Naturwissenschaften: "Eine biologische Betrachtung macht deutlich, dass Transparenz nicht nur Vorteile hat". So können wir bei einer transparenten NSA o. ä. "nicht ausschließen, dass unsere Nachrichtendienste dauerhaft geschwächt werden und künftige Gefahren schlechter erkennen". Der letzte Satz beeilt sich dann aber doch mit der Forderung, dass man alles "dem Wohl des Individuums unterwirft", wobei dies nicht aus dem Kambrium abgeleitet zu sein scheint.

Insgesamt fragt man sich, ob die Autoren den kambrischen Vergleich als amüsante Analogie, ob sie ihn deskriptiv oder gar normativ verstehen. Letzteres scheint sich als naturalistischer Fehlschluss an manchen Stellen Bahn zu brechen.

- hhp

„Es wäre das Beste, die Religionen auszulöschen“, meint E. O. Wilson, Pionier der Soziobiologie, im Anreißer des Artikels. Der martialisch anmutende Rat wird allerdings durch den Nachsatz, dass „die spirituelle Sehnsucht des Menschen“ von der Ausrottung auszunehmen sei, relativiert.

Was Wilson damit meint, wird in dem Interview anlässlich seines neuesten Buches, „The Meaning of Human Existence“, deutlicher. Das Buch ist der zweite Teil einer Trilogie, welche die drei Hauptfragen von Religion und Philosophie beantworten will: Woher kommen wir, wer sind wir und wohin gehen wir?

Das letzte Buch steht also noch aus, die Richtung deutet Wilson aber vor dem Hintergrund des globalen Artenschwundes an. Dass wir diese globale Bedrohung allen wissenschaftlichen Warnungen zum Trotz ignorieren, sieht Wilson gut soziobiologisch darin begründet, dass wir einem Denken in Stammesstrukturen - durch Religionen institutionalisiert - verhaftet sind. „Jeder Stamm, egal wie großzügig, freundlich, liebevoll und barmherzig er sein mag, schaut nichtsdestoweniger auf alle anderen von oben herab. Was uns runterzieht ist religiöser Glaube“. Wilson sieht dabei sehr wohl, dass die Menschen als Individuen und als Gattung einen starken religiösen, spirituellen Impuls teilen, der die Menschheit vereine. Aber: „Diese transzendente Suche ist von den Stammesreligionen gekapert worden“. Darum also rät Wilson, „dass es zum Wohle des menschlichen Fortschritts wohl das Beste wäre, religiösen Glauben bis zu seiner Auslöschung zu dezimieren, nicht aber die natürlichen Sehnsüchte unserer Spezies oder das Stellen dieser großen Fragen zu eliminieren“.

Die Frage stellt sich jedoch, wie (wünschenswert und) aussichtsreich ein solches Wilsonsches Eliminationsprojekt ist. Als „natürliche Sehnsucht“ wird das „große Fragen“ nicht innerlich bleiben, sondern die Kommunikation suchen und sich Kommunikationsgemeinschaften, sprich: Religionen, schaffen. Wäre es nicht ein wünschenswertes Ziel, Religionen nicht abzuschaffen, sondern von fundamentalistischer (Stammes-)Konkurrenz zu globalem Dialog zu bewegen?

Zum Schluss bleibt noch die allgemeine Frage, ob die Woher- und Wohin-Fragen, wie Wilson sie stellt, tatsächlich mit den Woher- und Wohin-Fragen der Religionen identisch sind. Wird hier nicht der Geltungsanspruch überzogen, wie dies der Soziobiologie wiederholt – nicht zuletzt von Wilson selbst – vorgeworfen wurde?

- hhp

Der Artikel weist auf die außergewöhnlichen mentalen Leistungen von Orang-Utans hin: Vom Versuch, Feuer zu entfachen bis zum systematischen Fischfang entdeckten Forscher die Fähigkeit zum Werkzeuggebrauch, zum Problemlösen und zum kulturellen Lernen. Letzteres korrigiere das traditionelle Bild des Orangs als Einzelgänger. Zwar seien die Gemeinschaften weit verstreut, doch einander bestens bekannt. Zudem fungierten jugendliche Streuner als "Fackelträger der Orang-Utan-Kultur". Bedroht würden die Orangs durch Wilderer, noch mehr aber durch die mutwillige Zerstörung ihrer Lebensräume. Die Tatsache von Empfindungsfähigkeit und Ich-Bewusstseins, die Fähigkeit ihres Verstandes und kulturellen Lernens, ihre manuelle Geschicklichkeit und eine "Intelligenz, die unserer unbestreitbar ähnlich ist", mache den bisherigen Umgang mit ihnen zu einer noch größeren Abscheulichkeit. "Orang-Utan" heiße ursprünglich so viel wie "Waldmensch". Der Artikel appelliert: "Vielleicht ist es an der Zeit, wieder den Menschen im Affen zu erkennen".

- hhp

Der bekannte Wissenschaftstheoretiker Franz M. Wuketits beginnt den Artikel mit der Feststellung, dass der religiöse Glaube "zu den anthropologischen Universalien" gehört und der Mensch die Charakterisierung "Homo religiosus" zu Recht trägt. Warum nur - so fragt der evolultionsbiologisch interessiert Autor - kann sich ein derart zeit- und energieintensives Engagement behaupten? Mit dem Biologen Eckart Voland macht Wuketits deutlich, dass Religion in der Tat "mit adaptiven Vorteilen verbunden" ist, nämlich mit verbesserter Kontingenzbewältigung und größerer Gruppensolidarität. Der Autor (Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung) wird freilich nicht müde, darauf hinzuweisen, dass aus dem adaptiven Vorteil nicht etwa ein Wahrheitsanspruch folgt: "Daraus die 'Wahrheit' irgendeiner Religion oder gar einen 'Gottesbeweis' abzuleiten, wäre allerdings weit verfehlt". Mehr noch: Ein Jenseitsglaube weise den Menschen "als irrationales Wesen" aus. Macht aber nichts, denn "Illusionen können durchaus nützlich sein". Die Illusionsbehauptung lebt freilich von dem Trugschluss, dass eine diesseitige Erklärung eine transzendente Dimension ausschließt. Nur so kann Wuketits zu dem reduktionistischen Fazit kommen: "Wir sind nur von dieser Welt".

- hhp

Der Artikel beschreibt die Versuche, via Interface mit Delfinen zu kommunizieren und deren Geräusche in Klartext zu verwandeln. Auch wenn dabei Worte erkannt werden können, bleibe umstritten, wie sprachfähig, intelligent und sozial kompetent Delfine tatsächlich sind. Von dem Interface verspricht man sich Klärungen dieser Streitfragen.

- hhp