Das Universum - Weltbild, Design, Vexierbild, oder Ikone?

Leitartikel von Arnold Benz

Schaut man im Internet unter „Weltbild“ nach, findet man vor allem Beiträge aus der Astronomie. Sie berichten, wie sich das Weltbild von der flachen Erdscheibe, zur Kugelgestalt, dann zum heliozentrischen Weltbild, und schließlich zu einem galaktischen Weltbild entwickelte. Es ist die natürliche Entwicklung des Gewahrwerdens, wie wir es auch bei Kindern feststellen: zunächst die flache Umgebung (Lebenswelt), dann der runde Globus auf dem Büchergestell (Eltern), dann die Planeten, welche die Sonne umkreisen (Schule). Diese Art von Weltbild entspricht dem räumlichen Aufbau des Kosmos, soweit er bekannt ist. Das war früher nicht so.            

Im Mittelalter ging es nicht um geozentrisch oder heliozentrisch. Man kannte drei Stufen: Himmel, Hölle und wir dazwischen. Es war nicht primär nach astronomischen Beobachtungen gegliedert, sondern aus theologischen Prämissen hergeleitet. Es transzendierte die sinnlichen Wahrnehmungen. Was ist aus ihm geworden? Wir finden es noch bei Kindern: Wo ist die verstorbene Großmutter? Im Himmel oben natürlich.

Der heutige Begriff „Weltbild“ wird unscharf, wenn man die verschiedenen Zugänge und vor allem seine Tiefendimension berücksichtigt. Ich möchte mich ihm nun zuerst aber von der modernen Astronomie her nähern.

Mit den heutigen Mitteln der Astronomie kann man Galaxien entdecken, deren Licht fast 13 Milliarden Jahre unterwegs war. Sie befinden sich heute in einer Entfernung von rund 45 Milliarden Lichtjahren. Es sind die frühesten Galaxien. Noch etwas länger unterwegs, nämlich 13,8 Milliarden Jahre, ist die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie entstand 380.000 Jahre nach dem Urknall als das Universum ein fast homogenes Gas mit einer Temperatur von 3.000 Grad war. Unser Blick ins Universum ist unvermeidlich ein Blick zurück in die kosmische Vergangenheit. Der Unterschied zwischen hier und dort ist vor allem ein Altersunterschied. Im Großen gesehen ist das Universum überall gleich.

Wir können im heutigen astronomischen Weltbild nicht mehr von der zeitlichen Dimension absehen. Das Weltbild der heutigen Astronomie ist die Geschichte des Universums.

Eine kurze Geschichte des Universums

Die Entwicklung des Universums aus dem Urknall bis zur Entstehung von Sonne und Erde ist heute in groben Zügen bekannt.

1. Die Dunkle Energie ist die dominierende Energie im Universum (68%, Nobelpreis 2011). Seit den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall bläht sie den Raum des Universums auf, so dass sich Galaxienhaufen voneinander entfernten. Die Dunkle Energie ist völlig homogen verteilt und scheint mit der Expansion nicht abzunehmen. Im Gegenteil, sie beschleunigt noch heute die kosmische Expansion und macht dreiviertel der Energie im Universum aus. Die Dunkle Energie ist noch unerklärt.

2. Die zweitgrößte Komponente (27%) der kosmischen Energie ist die Dunkle Materie aus unbekannten, schwach wechselwirkenden Teilchen aus der Frühzeit des Universums (WIMPS, Neutralinos, oder Axionen). Ihre Energie beträgt ein Drittel der Dunklen Energie. Dunkle Materie bildete die ersten räumlichen Strukturen. Die Schwerkraft dieser Verdichtungen zog auch die bekannte (normale) Materie an. Daraus entstanden die Galaxien. Die Masse der Dunkelmaterie ist fünfmal grösser als jene der bekannten Materie (5%).

3. In den Galaxien bildeten sich Gaswolken aus bekannter Materie. Sie entwickelten sich chemisch zu Molekülwolken, kühlten ab, fragmentierten zu dichten Kugeln, die schließlich unter ihrer eigenen Schwerkraft zu Sternen kollabierten (0,5%).

4. Mit den ersten Sternen beginnt auch eine nukleare Entwicklung. Sterne verschmelzen den primordialen Wasserstoff zu schwereren Elementen, wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Eisen. Die Verbrennungsasche wird zum Teil mit dem Sternwind ausgeworfen und vermischt sich mit dem ursprünglichen Wasserstoff. Das interstellare Gas wird auf diese Weise mit schweren Elementen angereichert. Sterne in späteren Generationen, wie die Sonne, entstehen aus solchen Mischungen.

5. Infolge der ursprünglichen Rotation von Wolkenkernen bildet sich bei der Entstehung eines Sterns eine protoplanetare Scheibe im Rotationsgleichgewicht, aus der die Materie nur langsam ins Zentrum fällt. In der Scheibe sind die schwereren Elemente früherer Sterne als Staub und Gas enthalten. Aus dem Staub entstanden feste Planeten wie die Erde.

6. Planeten wachsen durch Kollisionen mit kleineren Körpern. Kometen und Asteroiden schlagen ein und bringen Wasser und weitere Moleküle. Diese Entwicklung schuf die Voraussetzungen, dass sich auf der Erde innert weniger hundert Millionen Jahren die ersten einzelligen Lebewesen entwickelten. Sie produzierten Sauerstoff in Wasser und Luft. Es bildete sich eine Ozonschicht.

7. Mehrzellige Tiere konnten sich erst nach weiteren drei Milliarden Jahren in einer Umwelt von Wasser und Sauerstoff und unter dem Schutz einer Ozonschicht entwickeln.

Die Menschheit hat ihren bestimmten Ort und vor allem ihre ganz bestimmte Zeit. Ein ganzes Universum war notwendig, damit diese Entwicklung ablaufen konnte: Dunkle Energie, Dunkelmaterie, Molekülwolken, Sterne, Planeten, Einzeller, Tiere; alle Kräfte der Physik, eine breite Palette von Astronomie, Chemie, Geophysik, und Biologie. Das Universum könnte nicht jünger und nicht kleiner sein. Ich staune, dass die Entwicklung eines ganzen Universums nötig war, damit es mich gibt: Ohne Dunkle Energie kein expandierendes Universum, ohne Dunkelmaterie keine Galaxien, ohne Galaxien keine Sterne, ohne Sterne keine Planeten, ohne Planeten keine Einzeller, ohne Einzeller keine Tiere usw. Die Existenz der Menschheit ist eng mit der gesamten kosmischen Evolution verknüpft.

Das hier vorgestellte Weltbild hat sieben Schritte, man könnte sicher noch mehr finden. Was aber auffällt: Es fehlt der Mensch. Kann der staunende Mensch unter die Tiere eingereiht werden, womit uns gewisse Biologen gerne provozieren möchten? Zu einer vollständigen Geschichte fehlt sicher die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, welches das Universum erforscht. Man könnte ihn als achten Schritt anfügen.

Wir halten fest: Das heutige Weltbild der Astronomie ist nicht mehr die statische Briefträger-Geographie des Universums von früher, sondern eine Geschichte. Es ist aber keine Schöpfungsgeschichte. Dazu fehlen nicht nur der Schöpfer, ebenso auch der Ruhetag und damit die Kontemplation über das Menschliche und die Rolle des Menschen im Universum.

Alternative Weltbilder

Gewiss wird sich das eine oder andere noch ändern. Zweifel sind erlaubt, auch Fachleute haben sie. Es gibt aber auch Abweichler: alternative Theorien von Leuten außerhalb der Fachgemeinschaft. Dazu gehören die Kreationisten und ihre wissenschaftlich verkleideten Vertreter in der Intelligent Design Bewegung. Ihre Theorien werden nicht in Fachzeitschriften publiziert, da sie im strengen Gutachtersystem nicht bestehen. Offensichtlich falsche Theorien muss man nicht widerlegen. Sie werden von der Naturwissenschaft links liegen gelassen. In den USA ist Kreationismus allerdings ein politisches Problem und betrifft somit auch die Naturwissenschaft.

Ich sehe im Kreationismus jedoch eine Herausforderung an die Theologie. Im „naturwissenschaftlichen“ Weltbild, bestimmt durch die moderne Naturwissenschaft, ist empirische Evidenz gefordert. Die Intelligent Design-Bewegung geht davon aus, dass nur der empirische Nachweis eines Schöpfungsplanes den Schöpfer evident machen könne. Da hakt denn auch die Gegenbewegung der Neuatheisten ein, die aus dem Fehlen eines Planes schließen, dass es keinen Gott gebe.

Gottes scheinbare Abwesenheit in der naturwissenschaftlich erschlossenen Wirklichkeit ist der Kern des neuzeitlichen Agnostizismus. Kollegen aus den USA versichern mir immer wieder, es gehe im Intelligent Design nicht um längst beantwortete Fragen, sondern um echte Glaubensprobleme.

- Wie handelt Gott, falls es einen gibt, in der Welt? und (noch brisanter) in meinem Leben?

- Wie kann man von Handeln, Schöpfen oder Führen Gottes sprechen, wenn sich im Kosmos davon nichts nachweisen lässt?

Diese Fragen lassen sich nicht beantworten, ohne das Gottesbild, aber auch das „naturwissenschaftliche“ Weltbild kritisch zu überdenken. Dies sind Aufgaben, die von der Naturwissenschaft nicht geleistet werden können.

 

Herausforderung

Die Herausforderung an die Schöpfungstheologie besteht darin, Theologie so zu kommunizieren, dass sie in einem weitgehend naturwissenschaftlich bestimmten Umfeld verstanden wird und den kreationistischen Kurzschluss unnötig macht.

Keine leichte Sache! Johannes Fischer, Professor für Theologische Ethik in Zürich, hat vor längerer Zeit die Frage gestellt „Kann die Theologie der naturwissenschaftlichen Vernunft die Welt als Schöpfung verständlich machen?“ und sie mit einem klaren Nein beantwortet. Die Theologie gehe vom freien Handeln Gottes aus, die Naturwissenschaft jedoch von kausalen oder rein zufälligen Ereignissen. Hans Weder, Professor für Neutestamentliche Theologie in Zürich, spricht vom kontingenten Schöpfungsgeschehen. Dies im Gegensatz zu den Naturwissenschaften wo der „Normalzustand“ des reinem Zufall und der starren Notwendigkeit herrscht. Gottes Wille einerseits und reiner Zufall oder starre Gesetze andererseits passen offensichtlich nicht zusammen.

Nach einer Ringvorlesung über Naturwissenschaften und Theologie kam ein Doktorand der Astrophysik zu mir und sagte, er kenne nichts, das nicht durch die Grundgleichungen der Physik bestimmt werde. Wie solle sich ein Physiker Schöpfung überhaupt vorstellen? Alles was sich im Laufe der Zeit verändere, müsse es gemäss dieser grundlegenden Gleichungen von Ursache und Wirkung tun. Sie beschreiben alles, was überhaupt möglich sei. Diese ehrlich gemeinte Frage enthüllt einen bestimmten, weit verbreiteten Aspekt des „naturwissenschaftlichen“ Weltbildes. Obwohl nicht explizit ausgedrückt, werden die Naturwissenschaften, und besonders die Physik, heute vielfach als vollständige Wirklichkeit betrachtet. Die Biologie fußt auf Chemie, diese auf Physik und deren Grundlage ist die Quantenmechanik. Also ist sie das Fundament der Wirklichkeit, aus der sich „im Prinzip“ alle Wirklichkeit herleiten ließe. Wie soll etwas wirklich sein, was in der Physik nicht enthalten ist oder ihr widerspricht?

Grundlage der Wirklichkeit

Was ist diese Grundlage der Wirklichkeit, die die Welt im Innersten zusammenhält?

Vor der Neuzeit wurde das Fundament aller Wirklichkeit religiös begründet als Gottes Wille oder Gottes Güte. Die Wirklichkeit wird nun aber im „naturwissenschaftlichen“ Weltbild implizit auf den objektiv messbaren Bereich der Naturwissenschaft eingeschränkt. Die Vorstellung, dass die naturwissenschaftlich fassbare Wirklichkeit die ganze Wirklichkeit sei, ist die eigentliche Grundlage des „naturwissenschaftlichen“ Weltbildes. Daher werde es eines Tages eine „Theory of Everything“, oder mindestens eine physikalische „Foundation of Everything“ geben.

Erstaunlich unkritisch gehen prominente Autoren im englisch sprachigen Raum von der Annahme aus, dass die Physik bis in die tiefste Tiefe reiche. John Polkinghorne, Arthur Peacocke und Ian Barbour argumentieren auf der Ebene der objektiv messbaren Wirklichkeit der Physik. Möglichkeiten für Gottes Handeln in der Welt ergeben sich aus quantenmechanischen Phänomenen, wie Unschärfe und Nichtlokalität oder aus der Chaostheorie.

Wenn wir voraussetzen, dass die Physik das Fundament der Wirklichkeit oder wenigstens der Zugang zur Grundlage der Wirklichkeit ist, kommt Gott nicht mehr ins Bild oder höchstens in wissenschaftlich noch dunklen Randgebieten. Damit werden nicht nur religiöse Wahrnehmungen ihrer elementaren Rolle beraubt. Auch Kunst, Trauer, Liebe, Schmerz usw hätten keinen eigenen Platz. Die unmittelbaren menschlichen Erfahrungen wären Sekundärphänome, wenn nicht Illusionen. Sie wären zwar unerklärte, aber im Prinzip rein physikalisch-chemische und schließlich neurologische Phänomene. Ich vertrete die These, dass Theologie nur Sinn macht, wenn sie die menschlichen Erfahrungen ernst nimmt.

Das Universum ein Vexierbild?

In den Umständen des Urknalls oder in den speziellen Eigenschaften des Universums, welche so eigentümlich günstig für die Entstehung von Sternen, Planeten und Menschen sind, wollen heute viele Mitmenschen Gott oder sein Handeln direkt und zwingend erkennen. Das Göttliche im Universum wäre dann ein Teil des Bildes wie das gesuchte Objekt eines Vexierbilds. In einem bekannten Vexierbild, zum Beispiel, erkennt man von weitem einen grässlichen Totenkopf und aus der Nähe zwei hübsche Teetrinkerinnen. In einem anderen Vexierbild einen Reiter in den Wolken. Könnte man in der kosmischen Menschenfreundlichkeit, aus einer gewissen Distanz betrachtet, den Schöpfer wahrnehmen wie in einem Vexierbild?

Hier ist klar festzuhalten, dass die „naturwissenschaftliche Vernunft“ in Urknall und Feinabstimmung Gott nicht wahrnimmt. Es ist nicht so wie im Vexierbild, dass die einen das Gesuchte finden, den anderen muss es gezeigt werden, aber schließlich sieht es jede und jeder.

 

Universum als Ikone

Eine bessere Metapher scheint mir die Ikone. Man kann eine orthodoxe Ikone sowohl kunstwissenschaftlich analysieren als auch andächtig betrachten. Es ist dieselbe Ikone, aber man nimmt sie ganz verschieden wahr. Auf die Art der Wahrnehmung kommt es an.

Schöpfungstheologie der naturwissenschaftlichen Vernunft verständlich zu machen, ist nicht möglich. Schöpfungstheologie einem Naturwissenschaftler verständlich zu machen, sollte jedoch möglich sein. Zwei Bedingungen scheinen mir notwendig:

1.  Bezug auf Schöpfungserfahrungen im nicht-naturwissenschaftlich Bereich (Verweis auf Sitz im Leben der Schöpfungstheologie)

2.  Schöpfung ist eine Deutung, keine naturwissenschaftlich Erklärung

 

Herausforderung an die Kommunikation

In einem Interview für einen christlichen Film hat mir der Regisseur kürzlich gesagt, seine jugendlichen Zuschauer würden viel lieber hören, der Urknall könne ohne Gott nicht erklärt werden, oder die kosmische Feinabstimmung verweise auf einen göttlichen Plan. Die Vorstellung von Schöpfung sei für junge Menschen interessant, weil sie viele existentielle Fragen stelle und Gottes Handeln in der Welt thematisiere. Aber es müssten einfache Antworten sein, so wie sie das Intelligent Design liefert. Offensichtlich gibt es ein Kommunikationsproblem.

Das Kommunikationsproblem zeigt sich darin, dass Anhänger des Intelligent Designs eine nicht-naturwissenschaftliche Schöpfungsdeutung als blass und schwach empfinden. Eine Frau hat mir einmal nach einem Vortrag gesagt, sie habe „mehr von mir erwartet“: wahrscheinlich so etwas wie einen naturwissenschaftlichen Gottesbeweis.

Es ist festzuhalten,

1. dass die Schöpfungswahrnehmungen (z.B. Staunen, Andacht, Mystik, Dankbarkeit) ernst zu nehmen sind. Und dass diese Wahrnehmungen neben naturwissenschaftlichen Resultaten Wirklichkeit auf einer anderen Ebene beanspruchen, auf der ein Mensch zum Wahrnehmen teilnehmen muss. Und dass diese teilnehmenden Wahrnehmungen nicht zweitrangig sind.

2. dass Schöpfung als Deutung des Universums neben den naturwissenschaftlichen Erklärungen bestehen kann. Deutung heißt, dass man ein Muster erkennt im Gemenge der naturwissenschaftlich Resultate: Das Muster, das man erkennt, ist von anderen Bildern bekannt. Es gibt mehrere Deutungen: Man erkennt dann z.B. im Universum das Muster eines Uhrwerks (18. Jahrhundert) oder eines Computers (20.Jh), oder des kosmischen Christus (Kol.1,15 - 20).

Dialog Theologie/Naturwissenschaft

Konrad Schmid, Professor für Altes Testament in Zürich, schockierte anlässlich einer Podiumsdiskussion mit der Bemerkung, dass der Satz „Gott erschuf das Universum“ den „Gottesbegriff eigentlich schon verpasst“. Dieser einfache Satz stelle Gott mit der Gesamtheit aller Objekte auf eine Ebene und vergegenständliche Gott, „über den man wie ein Objekt sprechen könnte. [Er] wäre ein zurechtgelegter Gott, ein Götze, der mehr mit unseren Vorstellungen und Erwartungen an ihn zu tun hat als mit ihm selbst“. Schmids Warnung ist berechtigt. Von Gott an sich ist nicht zu sprechen, nur in einer Beziehung zu ihm. Gott ist eine existentielle Erfahrung und hat nicht direkt mit dem physikalisch erforschbaren Universum zu tun. Die Öffentlichkeit jedoch erwartet eine Schöpfungstheologie; das scheint ihr die Theologie schuldig zu sein.

Schöpfungstheologie, die weiter reicht als die Fachwissenschaft, muss im Dialog mit den Naturwissenschaften entstehen. Eine Metaphysik der Naturwissenschaft reicht nicht. Nur so kann ein Dialog für Laien verständlich und Gewinn bringend werden.

Der Dialog muss mit einer Diskussion den verschiedener Wahrnehmungen von Naturwissenschaft und Theologie beginnen. Die Naturwissenschaft misst und beobachtet objektiv, religiöse Erfahrungen werden in der Lebenswelt gemacht. Die verschiedenen Arten von Wahrnehmungen machen klar, wie weit entfernt voneinander Schöpfungstheologie und Naturwissenschaft ihren Ursprung haben.

 

Wozu Dialog?

1. Naturwissenschaftler haben im Allgemeinen wenig Interesse am Dialog, weil er rein fachlich nichts bringt. Zum Dialog braucht es Forscher, die zusätzlich auch philosophisch und theologisch interessiert sind.

2. Die Theologie hat nicht den besten Ruf im Konflikt mit der Naturwissenschaft. Dazu tragen theologisch Konservative heute noch bei. Mir hat der Dialog jedoch die Augen geöffnet zu einer kritischen Betrachtung der Grundlagen der Naturwissenschaft.

3. Die kulturelle Dimension ist wichtig: Der Dialog ist eine notwendige Aufgabe zwischen Religion (als älteste und tiefste Schicht unserer Kultur) und einer Naturwissenschaft, welche in den vergangenen vierhundert Jahren massive kulturelle Änderungen bewirkt hat.

4. Der Dialog ist unverzichtbar in Sachen Ethik.

5. Die These von Karl Barth war, “dass es …keine naturwissenschaftlichen … Hilfestellungen geben kann“ für Schöpfungstheologie von Seiten der Naturwissenschaft. Das mag immer noch gelten. Naturwissenschaft bestimmt jedoch durch das gängige Weltbild unweigerlich den Rahmen und kann der Kommunikation von theologischen Inhalten Bilder und Sprache geben.

Arnold Benz
Veröffentlicht im März 2016

 


Arnold Benz ist emeritierter Professor am Institut für Astronomie der ETH Zürich.Er erhielt 2011 den Ehrendoktor der Universität Zürich für interdisziplinäres Schaffen. Sein neustes Werk, „Das geschenkte Universum“ erschien 2009 im Patmos Verlag und wurde in drei Sprachen übersetzt. www.arnoldbenz.ch

Sie lesen lieber aus einem Buch? Sie finden diesen Artikel auch in unserem zweiten Buch zu dieser Webseite, "Die Vermessung der Welt und die Frage nach Gott" (Bonn 2018). 18 Beiträge von renommierten Autoren, darunter auch ein Nobelpreisträger, führen in den Dialog mit der Wissenschaft angesichts der Gottesfrage ein.

Bildnachweis

Robert Gendler
Hubble Space Telescope (NASA,ESA)
Hubble und VLT (NASA,ESA,ESO)
Herschel Space Observatory (ESA,NASA)
ALMA (ESO,NAOJ,NRAO)

Unser Weltbild als Herausforderung

Diskussion zum Leitartikel von Arnold Benz

Die Herausforderung an die Schöpfungstheologie bestehe darin, Theologie so zu kommunizieren, dass sie in einem weitgehend naturwissenschaftlich bestimmten Umfeld verstanden wird und den kreationistischen Kurzschluss unnötig macht, ist Arnold Benz überzeugt.Wie sehen Sie das? Sollte die Theologie in ihrem Schöpfungsverständnis die Naturwissenschaften berücksichtigen? Und wie sieht Ihr eigenes Weltbild aus?

Kommentare (9)

  • Martin Weidner
    Martin Weidner
    am 01.03.2016
    Vielen Dank für diesen Artikel! Er erinnert mich sehr an Hermann Hafner, der von der Schwachheit des christlichen Glaubens in Bezug auf ein Weltbild sprach, weil der Glaube auf der Berufung Einzelner gründet. Erst in der Auseinandersetzung mit anderen Weltbildern (Babylon) wurde der Glaube an Gott den Weltbildern entgegen gehalten. Hafner meinte, dies sei unumgänglich, aber immer bestehe dabei die Gefahr, dass der Glaube selber in ein Weltbild abgleite. Weltbilder bestreiten und doch selber keins aufstellen: Das sei eine nie abgeschlossene Aufgabe.
  • Martin Weidner
    Martin Weidner
    am 01.03.2016
    Randbemerkung: Auch im Mittelalter wusste man, dass die Erde eine Kugel war, der Reichsapfel war ein Symbol der Erde. Daneben gab es auch die Darstellung mit der Scheibe. Aber auch wir sagen, dass die Sonne aufgeht, auch wenn wir es besser wissen.
  • Arnold Benz
    Arnold Benz
    am 03.03.2016
    Vielleicht haben Sie, lieber Herr Weidner, die sanfte Provokation am Anfang nicht ganz verstanden, sorry. Aber ich bin einverstanden, dass man mit Weltbildern vorsichtig sein muss. Oft sind es ideologisch festgelegte Szenarien. Das meine ich aber gerade nicht. Ich rede von Vorstellungen des Universums, ohne die man keine Raumsonde starten kann.
  • Sebastian Schumacher
    Sebastian Schumacher
    am 09.03.2016
    Ihr Artikel ist sehr ehrlich, das respektiere ich. Die Frage, die sich mir als Ungläubigem aber philosophisch fasziniertem stellt, ist aber eine andere: Wieso sollte ich aus der bloßen Tatsache heraus, dass es neben der Naturwissenschaft noch andere Aspekte der Wirklichkeit gibt, vor allem subjektive Empfidungen, den Schluß ziehen, dass es Gott gibt oder dass die Welt als Schöpfung verstanden werden sollte. Subjektive Empfindungen sind nicht einfach mit gewissen Hirnzustände gleichzusetzen, das erkennen wir bereits daran, dass ich mir diese Empfindungen auch ohne diese Hirnzustände logisch stimmig vorstellen kann. Soweit ist die säkulare Philosophie des Geistes schon lange. Bewußtsein ist Teil der Welt, aber nicht Teil der naturwissenschaftlichen Beschreibung der Welt. Das ist zwar eine faszinierende philosophische Einsicht, aber doch ein sehr schwachen Grund, um zum Glauben zu kommen.
  • Martin Weidner
    Martin Weidner
    am 10.03.2016
    @ Arnold Benz: Ich meinte nicht die 7 oder 8 Punkte des naturwissenschaftlichen Weltbildes, sondern was oft mit dem verbunden ist: Der Anspruch, die ganze Wirklichkeit zu erfassen. Sie nennen es >>die eigentliche Grundlage des „naturwissenschaftlichen“ Weltbildes.<< Wenn man diesen Anspruch fallen lässt, sind Ihre 7 Punkte eigentlich kein Weltbild, sondern ein (zeitliches) Modell, mit dem man möglichst viele Phänomene in der Welt beschreiben kann.
  • Martin Weidner
    Martin Weidner
    am 10.03.2016
    @ Sebastian Schumacher: Ich verstehe den Artikel als Ausräumen einer Denkbarriere, nicht als Gottesbeweis.
  • Arnold Benz
    Arnold Benz
    am 15.03.2016
    Sebastian Schumacher, Sie fragen warum Sie den Schluss ziehen sollten, dass es Gott gibt. Fragen wir anders: Gibt es Kunst? Das lässt sich nicht beweisen, aber Kunst ist eine Erfahrung. Ich würde behaupten, dass Kunst etwas mit Wahrheit zu tun hat, also mit etwas in der Wirklichkeit zusammen trifft. Natürlich gibt es auch Kitsch.
    Es geht also nicht um die Frage, „existiert Gott?“, sondern um die Frage „erfahre ich Gott?“ Die Bibel ist voll von Gotteserfahrungen, es gibt dort keinen einzigen Gottesbeweis. Wie kommt man zum Glauben? Die christliche Theologie (z.B. Paulus, Röm. 4.3) weist da gerne auf die spannende Lebensgeschichte von Erzvater Abraham hin. Er fühlte sich von Gott angesprochen, und im Glauben folgte er seinem Ruf. Sein Vertrauen bewährte sich in seinem Leben.
  • Siegfried G.
    Siegfried G.
    am 18.06.2019
    Theologie, basiert auf Dogmen (oft nicht auf Tatsachen)
    Naturwissenschaft, wird in unserer Gesellschaft oft leider nicht richtig betrieben (unvollständig und keine klare Abgrenzung zur Pseudowissenschaft)

    Theologie und Naturwissenschaft(richtige) lassen sich nicht vereinbaren.
    Theologie braucht man nur, wenn man Naturwissenschaft nicht richtig betreibt.

    Mein Weltbild sieht folgendermaßen aus:
    Das naturwissenschaftliche Weltbild
    es gibt einen Schöpfer = die Natur (Götter gibt es keine)
    er hat Kraft, Intelligenz, und Alles Nötige was notwendig ist.....
    Das Universum ist zeitlich und räumlich unendlich (es hat weder einen Anfang noch ein Ende, es ist ewig).....

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