Ermöglicht uns die Quantenphysik ein neues Verständnis der Welt? - ein Tagungsbericht

Die Quantenphysik hat uns einen Zugang auf unsere Welt eröffnet, der ganz neue und zuvor nicht dagewesene Phänomene zum Vorschein bringt. Welche Folgerungen kann man aus der Quantenphysik ziehen? Welche Deutungen der quantenphysikalischen Erkenntnisse sind begründet, welche dagegen überschreiten die Schwelle zur Spekulation? Diese Frage standen im Mittelpunkt einer Tagung an der Evangelischen Akademie im Rheinland, die vom 6. bis 8. Dezember in Bonn stattgefunden hat.

Der einzige Referent der Tagung war der Physiker Prof. Dr. Jürgen Audretsch, der neben seiner Forschung seit vielen Jahren sich mit allgemeinverständlichen Schriften um ein breiteres Verständnis der Quantenphysik bemüht. Er hat in einer geschickten Auswahl wichtige Grundlagen der Quantenphysik dargestellt und dadurch ein erstes Verständnis dafür erzeugen können, worum es in der Quantenphysik geht.

 

Grundlagen der Quantenphysik

Offenkundig kann das Geschehen, das auf der Ebene der Quantenobjekte stattfindet, nur sehr begrenzt mit den Vorstellungen der Alltagswelt beschrieben werden. Auf der einen Seite gibt es jene Geräte, die quantenphysikalische Objekte präparieren, transformieren und messen. Auf dieser Ebene der Geräte lassen sich einfache, uns verständliche Beschreibungen finden: Wenn man auf den Knopf des Gerätes drückt, das ein Quantenobjekt präpariert, dann verzeichnet das Messgerät eine Reaktion. Jedoch scheitern wir, wenn wir uns vorstellen, dass ein Teilchen im klassischen Sinne sich zwischen der Quelle und dem Messgerät auf den Weg macht, um schließlich im Messgerät identifiziert zu werden. Dabei kann der Weg zwischen den Geräten wiederum exakt beschrieben werden. Jedoch geschieht das mit mathematischen Gleichungen, die die Wahrscheinlichkeiten beschreiben, die dem besagten Quantenobjekt zugeordnet werden. Die zugeordneten Wahrscheinlichkeiten wiederum lassen sich auch bei zusätzlichen Transformationen exakt berechnen. Hierauf beruht auch die weitreichenden Anwendungsmöglichkeiten der Quantenphysik. Doch erst eine Messung oder ein der Messung analoger Aufbau macht aus der Wahrscheinlichkeit einen faktischen Wert.

Diese Unterscheidung zwischen faktischen Messwerten und Wahrscheinlichkeitsbeschreibungen kennen wir in unserer alltäglichen Erfahrungswelt nicht. In unserer alltäglichen Welt können wir Objekten feste Eigenschaften zuordnen, sein Verhalten ist dann bei gegebenen äußeren Parametern determiniert. Hier basieren Wahrscheinlichkeitsbeschreibungen immer auf der Unkenntnis der Eigenschaften. Sind die Eigenschaften bekannt, braucht man zur Beschreibung und zur Berechnung keine Wahrscheinlichkeiten. Die Interpretation der Quantenphysik in der „Kopenhagener Deutung“ sieht dagegen bei Quantenobjekten in den Wahrscheinlichkeiten kein Informationsdefizit, sondern eine exakte und vollständige Beschreibung.

 

Lebhafte Diskussionen

Der Schwerpunkt der Diskussion auf der Tagung lag nun auf der Deutung dieser ungewöhnlichen Verhältnisse. Wie geht man mit der Diskrepanz zwischen der Beschreibung von Wahrscheinlichkeiten und faktischen Messwerten um? Wie soll man sich ein Quantenobjekt vorstellen, dass in bestimmten Hinsichten nur wahrscheinliche Werte hat? Hier entwickelte sich unter den Teilnehmenden, Physiker und Nichtphysiker auf beiden Seiten, eine intensive Auseinandersetzung. Die erste Gruppe um Prof. Audretsch warnte davor, die Verhältnisse allzu sehr spekulativ auszudeuten. Sie berief sich auf das, was man in der Alltagswelt sagen kann: es gibt ein bestimmtes Verhalten von Messgeräten und es gibt mathematische Kalküle, die beide miteinander in Beziehung setzen. Auf der anderen Seite stand eine Gruppe, die weitgehende Konsequenzen aus den Erkenntnissen ziehen wollte. Sie sieht eine grundlegende Zweiteilung der Welt, auf der einen Seite unsere „Realität“, die makroskopische Welt und auf der anderen Seite die Quantenwelt, in der ganz andere Regeln (Wahrscheinlichkeiten, keine Lokalität) gelten. Einzelne Stimmen gingen sogar noch weiter und forderten, unsere bekannte Welt nur als Oberflächenerscheinung einer eigentlich vorhandenen Quantenwelt zu deuten.

Die Diskussionen waren sehr lebhaft, denn die Positionen waren schwer miteinander zu vereinbaren. Es geht letztendlich um die Frage, wie sich die Deutungen der Quantenphysik begründen lassen und welche Deutungen legitim sind. Hierbei wurde auch an die Schrift „Ordnung der Wirklichkeit“ von Werner Heisenberg erinnert. Dieser hatte nicht direkt auf der Quantenphysik eine philosophisch Deutung aufgebaut, sondern diese zum Anlass genommen, auch sprachphilosophisch noch einmal neu über menschliche Zugänge zur Welt jenseits von reiner Objektivität und reiner Subjektivität nachzudenken. Die lebhafte Diskussion auf der Tagung hat gezeigt, dass die Frage der Deutung der Quantenphysik sehr viel Interesse findet und weiter gehen muss!

Frank Vogelsang


>> Zum Leitartikel von Jürgen Audretsch: "Quantentheorie und Theologie"