The Theology and Science Dialogue. What Can Theology Contribute? von Michael Welker

Rezension von Dr. Andreas Losch

Der im internationalen Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaften äußerst versierte Heidelberger Theologe Michael Welker hat seinen jüngsten Beitrag zu diesem Diskurs in englischer Sprache vorgelegt. Das Heft basiert auf Vorlesungen in Yale und Oxford.  Welker geht es darum aufzuzeigen, was die Theologie zum Gespräch mit den Naturwissenschaften beitragen kann. Dabei erkennt er scharfsinnig die Schwächen der vergangenen Diskussion und bietet einige neue Gesprächsansätze an.

Oft und gerne werden die Worte von Nobelpreisträgern zitiert, wenn sie sich zu „Gott und der Welt“ äußern. Welker nennt dies das Friedrich-der-Große-Syndrom. König Friedrich liebte es, Musik zu komponieren und Gedichte zu schreiben und dies auch darzubieten, was natürlich bei Hofe zu entsprechendem einstudierten Beifall führte. Dieser Beifall sollte aber sicher kein Gradmesser der Qualität des Dargebotenen sein, und so sollte man dann auch bei Gottesfragen die Theologie nicht außen vor lassen. Sie wird also dringend benötigt. Was kann sie aber zum Diskurs mit den Naturwissenschaften beitragen?

Darauf gibt Welker erstens die Antwort, dass die beiden Disziplinen sich auf einer ‚höher gelegenen‘ Metaebene treffen könnten. Tatsächlich zeigt er aber die Schwächen eines solchen in der Vergangenheit recht verbreiteten Ansatzes auf, weil dieser die themenspezifische Auseinandersetzung oft verlässt und sich in den sogenannten „Großen Fragen“ verliert.

 

Neue Antworten

Welkers weitere Antworten auf die Frage nach dem Beitrag der Theologie zum Gespräch liegen dann auch darin, dass sie zweitens ihre Kerngebiete entfalten und darstellen solle, um die Naturwissenschaften davor zu bewahren, falsche Vorstellungen von der Theologie zu entwickeln, wie es ebenso so oft in der Vergangenheit geschehen ist. Vielmehr müsse die Theologie drittens die Fehldarstellungen von theologischen Angelegenheiten in der Naturwissenschaft korrigieren, denn nicht nur die Naturwissenschaft, auch die Theologie hat sich im letzten Jahrhundert gewaltig entwickelt.

Bestes Beispiel dafür ist natürlich der Diskurs um Evolution und Schöpfung. In Auseinandersetzung mit dem Bibeltext selbst zeigt Welker auf, dass die Bibel von einer wesentlich differenzierteren Realitäts­wahrnehmung zeugt, als allgemein angenommen wird. Deutlich wird dies zum Beispiel an der doppelten Verwendung von Licht in der Schöpfungsgeschichte, wie Welker es auch andernorts schon herausgestellt hat.

Stephen Hawkings Kurze Geschichte der Zeit und sein Umgang mit der Gottesfrage sind dann das Beispiel, das deutlich macht, wie oberflächliche Referenzen der theologischen Disziplin in keinster Weise gerecht werden und vielmehr die Unkenntnis Hawkings bezüglich theologischer Argumentationen bezeugen.

 

Das Gespräch mit der Anthropologie und mit einem alten Freund

Neuland betritt Welker dann mit seiner vierten und fünften Antwort. Zum einen sollen im Gespräch der Disziplinen multiperspektivische Erkundungen von gemeinsamen Wissensgebieten vorangetrieben werden. Zum anderen, und dieser Ansatz sei Welkers Ansicht nach am fruchtbarsten, sollte der Diskurs versuchen, kleine Brücken an den Rändern der eigenen Wissensgebiete zu bauen.

Welkers Beispiel für beide Antworten ist das Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaften über die Anthropologie. Welker unterscheidet hier zwischen mikroanthropologischen Ansätzen „von unten“ und makroanthropologischen Zugängen „von oben“, die für eine wirklich umfassende Perspektive beide notwendig sind. Empirisch orientierte Ansätze und theologisch-eschatologisch orientierte Ansätze müssen in Verbindung miteinander gesetzt werden. Paulus multidimensionale Anthropologie, wenn man sie nicht als Ausdruck eines banalen Dualismus von Fleisch und Geist versteht, hält Welker in diesem Kontext für hochaktuell und realistisch.

Der abschließende zweite Teil des Heftes beginnt mit Entdeckungen in Naturwissenschaft und Theologie, wie sie der Cambridger Physiker und Theologe John Polkinghorne als parallel laufende Prozesse dargestellt hat. Polkinghornes bottom-up Ansatz ist es gewesen, der Welkers eigene Auseinandersetzung mit dem Themenfeld früh und maßgeblich beeinflusst hat, und der langjährigen Kooperation mit diesem Freund und Kollegen ist nicht nur dieser Abschnitt gewidmet, sondern in gewissem Sinne das ganze Heft.

 

Fazit

Welkers scharfer Blick für kurzschlüssige Reduktionismen kommt auch in dieser Schrift zur Geltung, wobei seine sehr kurzgefasste Darstellung der Probleme der kritisierten Ansätze allerdings manchmal in Gefahr steht, zumindest demjenigen, der sich im Gespräch noch nicht so gut orientiert, möglicherweise ein falsches Bild zu vermitteln. Solche Leser sind jedoch sicher nicht die Zielgruppe Welkers. Sein Beitrag ist ein im besten Sinne wissenschaftlicher: das Gespräch der Wissenschaften möchte er voranbringen, deswegen zeigt er die Schwächen der vergangenen Diskussionen im Feld auf. Sein Plädoyer für eine kleinteilige themenzentrierte Auseinandersetzung anstelle des Schwelgens in übergreifenden Metatheorien tut dem Gespräch der Theologie mit den Naturwissenschaften sicher gut, wobei man allerdings auch fragen könnte, ob nicht jede themenzentrierte Auseinandersetzung auch einer gewissen erkenntnistheoretischen Grundlage bedarf.  Hier übernimmt Welker m.W. ziemlich unhinterfragt den kritischen Realismus Polkinghornes/Barbours.

Wer sich schon im Gespräch von Theologie und Naturwissenschaften einigermaßen orientiert und wer einen Einblick in die aktuelle internationale Diskussion der Disziplinen gewinnen möchte, dem sei dieses Heft ans Herz gelegt.

Neukirchen-Vluyn 2012, 80 Seiten, ISBN  978-3788725334, 16,99 €

Dr. Andreas Losch, Bern im Juni 2014

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