Konsequenzen für die Theologie
Eine Anzahl an Einsichten allgemeiner Relevanz und Bedeutung für die Theologie kann der Geschichte der Quantentheorie entnommen werden. Die erste ist, dass es keine universale Rationalität gibt. Die Aristotelische Logik gilt in der makroskopischen Welt, doch die Quantenlogik in der Quantenwelt. Die zweite ist, dass es auch keine universale Epistemologie gibt. Jeder Versuch, die Quantenwelt mit klassischer Klarheit zu erkennen, wird fehlschlagen. Diese Welt kann nur in Übereinstimmung mit ihrer Heisenbergschen Unschärfe erkannt werden. Diese Einsichten sollten die Theologie ermutigen, an dem festzuhalten, was sie als den notwendigen Charakter ihres Diskurses über Gott herausgefunden hat.
Die Welt der Physik hat sich als weniger mechanistisch erwiesen, als viele im Gefolge der deterministischen Entdeckungen der Newtonschen Physik zuerst angenommen hatten. Die Welt ist raffinierter und subtiler als es der Vergleich des Universums mit einem Uhrwerk nahelegt. Dass die Frage, ob wir die Prozesse der Quantenwelt als offene oder determinierte Prozesse verstehen müssen, nur metawissenschaftlich entschieden werden kann, zeigt, dass wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse der modernen Physik ernst nehmen können, ohne dazu verdammt zu sein, uns selbst als Automaten zu denken oder Gott auf die Rolle eines externen Uhrmachers zu beschränken. Man kann begründet davon ausgehen, dass der Schöpfer innerhalb der offenen Struktur der geschaffenen Natur wirklichkeitsgestaltend gegenwärtig ist. Die moderne Naturwissenschaft propagiert keineswegs eine kausale Geschlossenheit der uns bekannten Welt, die dann von den Naturwissenschaften allein hinreichend beschrieben werden könnte.
Wenn Physik uns irgendetwas lehrt, dann sicherlich dies, dass die Wirklichkeit überraschend ist. Sie nötigt uns, Prozesse zu denken, die wir, hätte die Natur uns nicht auf sie gestoßen, uns niemals hätten vorstellen können. Folglich ist die natürliche Frage für einen Wissenschaftler betreffs einer Annahme innerhalb und jenseits der Naturwissenschaft nicht ‘Ist sie vernünftig?’, so als ob wir im Vornherein die Gestalt kennen würden, welche die Rationalität einnehmen müsste. Niemand hätte 1899 die Welle/Teilchen Dualität für eine rationale Möglichkeit gehalten. Stattdessen ist es die natürliche Frage eines Wissenschaftlers zu fragen ‘Was führt dich zu der Annahme, dass dies der Fall sein könnte?”, offen für das Unerwartete, jedoch Evidenz für das, was angenommen werden soll, verlangend. Ich glaube dass die Theologie sich ihrer wahrheitssuchenden Aufgabe in exakt derselben Weise annähern kann.
John Polkinghorne
Veröffentlicht im Juli 2012
Übersetzung: Andreas Losch
Wir bieten den Artikel auch im englischsprachigen Original an.
Kommentare (3)-
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Epistemologisch und ontologische Evidenzen erscheinen uns nur indirekt im
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Etwas Neues von John Polkinghorne? Man war gespannt und wurde bitter enttäuscht: nichts Neues. Was Polkinghorne da über die Quantentheorie sagt, hat man so auch schon vor mehr als 50 Jahren gewusst. Solche Aussagen entstehen dadurch, dass man – wider besseres Wissen – die Quantentheorie mit klassischen Begriffen und Vorstellungen, eben mit der Alltagslogik, wie Polkinhorne das nennt, zu interpretieren versucht. Und dann müssen Unschärfe, Komplementarität und der Messprozess wie bei Pascual Jordan Mitte des letzten Jahrhunderts herhalten, um eine Offenheit der Welt für einen transzendenten Gott zu schaffen. Wann hört das endlich auf! Die Quantentheorie ist ohne Messprozess eine determinierende Theorie wie die Newtonsche Mechanik, und sie wird mit gewöhnlicher "mathematischer Alltagslogik" formuliert. Der Messprozess beschreibt nicht die Natur, die ohne ihn auskommt, sondern unsere begrenzte Wahrnehmungsfähigkeit als makroskopische Wesen. Wir müssen als Beobachter einen hohen Preis bezahlen, nämlich die sogenannte "Dekohärenz" von Quantenzuständen, die einen Verlust von Quanteninformation bedeutet. Meine Ehrfurcht vor dem Namen Gottes verbietet es mir zu glauben, dass wir Ihm mit der Quantentheorie endlich auf die Schliche gekommen sind.
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Die Wirklichkeit war schon immer überraschend, und zwar längst bevor es eine Quantenphysik gab. Dass Zeit irreversibel ist, kommt in den Newtonschen Formeln nicht zum Ausdruck – und doch ist es so. Durch immer komplexere Organisationsformen entsteht Neues in der Natur. Nicht erst Leben und Bewusstsein sind emergente Phänomene, bei denen Eigenschaften zu Tage treten, die es zuvor nie gegeben hat, sondern auch auf rein physikalischer Ebene gibt es spontane Neuorientierungen, vom Plasma bis zur Selbstassemblierung von Atomen und der Bildung von Festkörpern. Dass alles makroskopische Geschehen aus den ohnehin nicht bis ins unendlich Kleine rekonstruierbaren Anfangsbedingungen automatisch folgen solle, war noch nie eine empirische Feststellung, sondern eine metaphysische Überhöhung der Bewegungsgesetze der klassischen Mechanik, die sich im übrigen auch ganz unmaterialistisch interpretieren lassen, sofern die unhaltbare Verknüpfung von Masse und Materie aufgehoben wird. Wären die kleinsten „Einheiten“ in der Natur keine passiven isolierbaren Partikel, die mechanisch starren Naturgesetzen gehorchen, sondern aktive team-player, die spontan Interaktionsmuster erzeugen, die sich in großer Zahl wiederholen – analog den Schwarmbildungen im Tierreich - dann würden es nicht erstaunlich sein, dass auf der Makroebene
Michael K. Eichbaum
am 22.08.2012Verhältnis zur Mikro - und Makrowelt.
So sei "quantifiziert" das Teilchen/Elektron analog zum Neutronenstern und Pulsar aber die Welle die Perlenschnur der Teilchen im Y-Ray-Burst doch gar nicht so sehr aus ungleicher Art , doch nur energetischer.
Die Frage der Singularität bleibt der Theologie erhalten und der Wert sowie die Frage nach dem Informationsgehalt
der kosmischen Strahlen und der baryonischen Welt sollten wir dem Geist der Menscheit und dem heiligen Geist im Einklang ergründen und das mit allmächtiger Neugierde.
Jürgen Schnakenberg
am 27.08.2012Reiner Groth
am 10.11.2012eine naturgesetzliche Verlässlichkeit entsteht, aber in den Mikrowelten die Phänomene statistisch zu beschreiben sind. In Wirklichkeit herrscht nirgendwo eine andere Logik als die von Freiheit und Ordnung; auch die Elementarakteure sind determiniert durch ihre eigene Natur oder Beschaffenheit, zugleich aber mit Spontaneität „begabt“ - wie alles Geschaffene.