Die untrennbare Verflechtung von Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität in Indien im Wandel der Geschichte
Leitartikel von Mathew Chandrankunnel
Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion in Indien blickt auf eine lange historische Entwicklung zurück, die von tiefer Komplexität und untrennbarer Verflechtung geprägt ist, und welche sich zudem deutlich von der häufig beobachtbaren Dichotomie in der westlichen Moderne unterscheidet. Dieses einzigartige Merkmal spiegelt die kostbaren philosophischen und spirituellen Traditionen des Subkontinents wider, wo wissenschaftliche Untersuchungen und religiöses Denken traditionell nicht als gegensätzliche Kräfte, sondern als komplementäre Wege zum Verständnis des Universums und der menschlichen Existenz angesehen wurden.
Diese grundlegende Perspektive hat den erkenntnistheoretischen Rahmen der indischen Zivilisation geformt und alle nachfolgenden geschichtlichen Perioden beeinflusst, selbst wenn externe Kräfte versuchten, verschiedene existenzielle und entwicklungspolitische Modelle durchzusetzen. Der Hinduismus kann als eine Verschmelzung aus der Brahma-Tradition, der nomadischen Śaivite-Tradition und der landwirtschaftlichen Vaishnava-Tradition beschrieben werden; all diese Traditionen stehen in einer engen Beziehung mit den Gottheiten des Brahma (Schöpfung), des Vishnu (Erhaltung) und des Śiva (Zerstörung), sowie mit verschiedenen philosophischen und ritualistischen Traditionen, welche Teil eines umfangreichen Mythologiegewebes sind. Als der Hinduismus gewalttätiger und intoleranter wurde, initiierte Siddharth Gautama eine gewaltfreie Revolution, die ihn als Sri Buddha bekannt machte; der Buddhismus entwickelte sich im Anschluss zu einer Weltreligion, welche im 12. Jahrhundert aus verschiedenen Gründen in Indien ausgestorben war. Die buddhistischen Gelehrten gründeten jedoch zu Beginn der gemeinsamen Ära Universitäten, die weltweit die ersten ihrer Art waren, wie beispielsweise die buddhistischen Lernzentren Nalanda, Vikramsila oder Odandapuri, welche zudem Studierende aus dem Ausland anzogen. Später versklavten die einfallenden Armeen des Islam sowie die britischen Kolonialmächte den Subkontinent und verbreiteten ihren eigenen ideologischen, religiösen, spirituellen, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt mit ihren dazugehörigen positiven und negativen Ergebnissen. Dieser ausführliche Artikel wird im Detail untersuchen, wie sich diese komplizierte Beziehung in den verschiedenen geschichtlichen Epochen des Altertums und des Mittelalters, sowie in den Phasen des Mogul- und des britischen Kolonialreichs und in den modernen und zeitgenössischen Perioden entwickelt hat.
Das anfängliche Verständnis des Wissenserwerbs in Indien war grundsätzlich ganzheitlich. Das Streben nach Wahrheit, bekannt als Satya, und ein umfassendes Verständnis des Kosmos, basierend auf Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und Aprigraha (Nicht-Anhaftung/Nicht-Besitz) wurden gemeinsame, einheitliche Ziele sowohl für wissenschaftliche Untersuchungen als auch für religiöses Denken. Dies bedeutete, dass Wissen nicht unterteilt wurde; vielmehr wurde es als eine einzigartige, ganzheitliche Suche angesehen, bei welcher spirituelle Einsichten die wissenschaftliche Beobachtung bereichern konnten und umgekehrt. Diese übergreifende ganzheitliche Sichtweise bildet ein Kernthema, das alle historischen Epochen auf subtile oder offensichtliche Art und Weise beeinflusst hat. Zudem hilft es zu erklären, warum die Begriffe „Integration" oder „Koexistenz" passendere Beschreibungen im Hinblick auf den Umgang mit vielen dieser Handlungsfelder innerhalb Indiens liefern als jener des „Konflikts". Dieser grundlegende Unterschied bietet einen entscheidenden Einblick, um die einzigartige Dynamik zu interpretieren, die im Verlauf verschiedener Epochen beobachtet werden konnte.
Darüber hinaus stellte die Wahrnehmung von Wissenschaft und Religion als „Wege zum Verständnis des Universums und der menschlichen Existenz" eine direkte und kausale Verbindung zwischen spirituellem Streben und wissenschaftlicher Vorgehensweise her. Wenn das Verständnis des Universums ein vorrangiges spirituelles Ziel war, dann wurden systematische wissenschaftliche Methoden - einschließlich Beobachtung, Berechnung und empirischer Untersuchung - legitime, wertvolle und sogar notwendige Werkzeuge innerhalb dieses erweiterten spirituellen Forschungsraumes. Dies erklärt, warum heilige Texte und Rituale aktiv detaillierte Beobachtungen der natürlichen Welt anregten, welche sich im Laufe der Zeit allmählich zu systematischen wissenschaftlichen Methoden entwickelten. Diese anfängliche kausale Verbindung unterstrich, dass wissenschaftlicher Fortschritt im alten Indien inhärent spirituelle oder religiöse Konnotationen trug und in eine breitere geistige Weltsicht integriert wurde, was einen Präzedenzfall für zukünftige Interaktionen darstellte. Die Errungenschaft der Etablierung einer Verbindung von Wissenschaft und Religion wird im und durch den Yoga sichtbar, der beschrieben werden kann als eine Integration geistiger Anleitung mit körperlichen Übungen, geistigen Bestrebungen und tiefen meditativen Prozessen, welche das charakteristische Milieu eines philosophischen, psychologischen, pneumatisch-wissenschaftlichen und technologisch ganzheitlichen Kontinuums veranschaulichen.

I. Die Indus-Tal-Zivilisation: Eine pragmatische Stadtgesell-schaft als Zeugnis weltlicher Kultur, Wissenschaft und technologischem Einfallsreichtum
Die vorvedische Indus-Tal-Zivilisation ist eine bedeutsame Gründungskultur, ohne signifikante religiöse und spirituelle Grundlagen, aber mit fortgeschrittenen technologischen Entwicklungen wie Metrik- und Wiegesystemen, mehreren geschichtsträchtigen großen Gebäuden, gepflasterten Gehwegen, Regulierungsmechanismen zum Schutz vor Überschwemmungen (durch Damm- und Abwassersystembau), die ein weltliches und technologisches Erbe betonen. Die detaillierte Aufzählung der wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften der Indus-Zivilisation, wie unter anderem eine anspruchsvolle Stadtplanung, ein effizientes Wassermanagement und eine ausgereifte Metallurgie, ist von Bedeutung. Der schiere Umfang und die Raffinesse ihrer technischen und organisatorischen Fähigkeiten legen ein hochentwickeltes, empirisch fundiertes Wissenssystem nahe. Dies impliziert, dass die spätere vedische Integration von Wissenschaft und Religion keine ex nihilo-Schöpfung war, sondern eine philosophische und religiöse Aufschichtung auf eine bereits bestehende, robuste Tradition praktischer, weltlicher und wissenschaftlicher Kenntnisse. Dieser Paradigmenwechsel von einem säkularen zu einem religiösen Denkrahmen konnte mit dem verfügbaren Wissen nicht verstanden werden und erforderte weitere sorgfältige Forschung, um die Diskontinuität zwischen einer fortschrittlichen, technologisch weiterentwickelten Wissenstradition in Indien mit bedeutenden technologischen Errungenschaften und einer vedischen philosophischen und religiösen Synthese zu entwirren und aufzulösen.
Stadtplanung und Architektur: Städte wie Mohenjo-daro und Harappa zeigten eine bemerkenswert anspruchsvolle Stadtplanung, die sich durch gitterartige Layouts und gut organisierte Straßen, die sich im rechten Winkel schneiden und fortgeschrittene Kenntnisse der Geometrie und Raumplanung zeigen, auszeichneten. Die Häuser wurden mit standardisierten Backsteinen gebaut, was auf ein tiefes Verständnis der Bautechniken und der Materialwissenschaft hinweist. Die Städte verfügten zudem auch über fortschrittliche Entwässerungssysteme mit abgedeckten Abflüssen, Brunnen und Bädern, ein Hinweis auf eine frühe Beherrschung der Hydraulik- und Sanitärtechnik.
Wasserwirtschaft und Sanitärversorgung: Die Expertise dieser Zivilisation erstreckte sich auf ausgeklügelte Entwässerungssysteme, die das Abwasser effizient abführen und Stagnation und Krankheit verhindern. Das „Große Bad“ in Mohenjo-daro ist ein Paradebeispiel für ihr Wissen über wasserdichte Konstruktion, die Verwendung von Bitumen als Dichtstoff, was ein Verständnis der Abdichtungstechniken widerspiegelt. Private Brunnen und umfangreiche Wasserspeicher unterstrichen ihre Beherrschung der hydrologischen Technik und lieferten sauberes Wasser für die städtische Bevölkerung.
Metallurgie und Materialwissenschaft: Die Bewohner: innen Harappas machten bedeutende Fortschritte in der Metallurgie und arbeiteten geschickt mit Kupfer, Bronze (einer Legierung aus Kupfer und Zinn) und möglicherweise frühen Formen von Eisen. Der weit verbreitete Einsatz von Bronzewerkzeugen und -verzierungen wies auf ein ausgeklügeltes Wissen über Legierungstechniken und Materialeigenschaften hin. Die Entdeckung von fein gefertigten Werkzeugen, Waffen und Schmuck spiegelte ihr tiefes Verständnis der Metallurgie und der Materialstärke wider, was die landwirtschaftliche Produktivität und die Spezialisierung des Handwerks erleichterte.
Herstellung und Handwerk: Die Zivilisation zeigte hohe Fähigkeiten in verschiedenen Handwerken, einschließlich Keramik, Perlenherstellung, Dichtung und Metallurgie. Ihre Keramik war in Form und Dekoration hochgradig standardisiert, was auf ein entwickeltes Verständnis der Keramiktechnologie und Feuertechniken hinweist. Siegel aus Speckstein mit eingravierten Motiven und Symbolen deuteten auf die Verwendung fortschrittlicher Schnitzwerkzeuge und einen systematischen Ansatz in Verwaltung und Handel hin. Die Inschriften, obwohl noch nicht entziffert, weisen auf eine Form der Protoschrift hin und spiegeln frühe Entwicklungen in der symbolischen Kommunikation und Dokumentation wider.
Landwirtschaft und Überschussproduktion: Die Menschen im Industal entwickelten fortschrittliche landwirtschaftliche Techniken, darunter das Pflügen mit domestizierten Tieren und möglicherweise frühe Bewässerungsmethoden. Ihr Anbau von Weizen, Gerste, Erbsen und Sesam erforderte Kenntnisse in Fruchtfolge und Bodenbewirtschaftung. Die daraus resultierende Überschussproduktion an Nahrungsmitteln versorgte große städtische Bevölkerungen und spezialisierte Handwerksbetriebe und zeugte von einem Verständnis der Agrarwissenschaften und des Ressourcenmanagements.
Handel und Gewerbe: Der Handel war ein wesentlicher Aspekt der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung der Indus-Zivilisation. Sie betrieb Fernhandel mit Mesopotamien und tauschte Waren wie Perlen, Siegel und Kunsthandwerk gegen Edelsteine, Metalle und Luxusartikel. Die Existenz von Werften wie Lothal zeugt von ihrer Expertise im Schiffsbau und in der Navigation, die für den Überseehandel unerlässlich war. Ihre Kenntnisse der Seefahrt und des Schiffsbaus spielten eine entscheidende Rolle beim Aufbau ausgedehnter Handelsrouten über das Arabische Meer.

II. Vedische Periode: Wissenschaft als heilige Untersuchung zum Verständnis des Universums
Die vedische Periode in Indien veranschaulicht eine tiefe intensive Zusammenführung und Vernetzung von Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität, wo wissenschaftliche Beschäftigungen oft als ein wesentlicher Bestandteil einer größeren spirituellen Suche nach Wahrheit und kosmischem Verständnis betrachtet wurden. Die alte indische Zivilisation machte bedeutende Fortschritte in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und operierte konsequent in einem tief spirituellen Rahmen. Die vedische Tradition, die das Fundament der hinduistischen Philosophie, Sanatana Dharma, bildet, betonte ausdrücklich das Streben nach Wahrheit (Satya) und ein umfassendes Verständnis des Kosmos. Diese philosophische Untermauerung bedeutete, dass heilige Texte und Rituale aktiv detaillierte Beobachtungen der natürlichen Welt veranlassten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich diese Beobachtungen allmählich zu systematischen wissenschaftlichen Methoden. Indische philosophische Schulen, wie Nyaya, konzentrierten sich auf Logik und Erkenntnistheorie; Samkhya, eine dualistische, auf Aufzählung basierende Metaphysik; und Vedanta, welche die ultimative Realität von Brahman erforschte, trugen erheblich zu einer Weltanschauung bei, die inhärent sowohl spirituelle als auch rationale Untersuchungen in sich vereinte. Die Betonung des Erfahrungswissens (anubhava) und des rigorosen Denkens (pramana) ermöglichte einen nuancierten Ansatz, bei dem religiöse Einsichten und wissenschaftliches Denken nicht als sich gegenseitig ausschließende, sondern als komplementäre Wege zum Wissen wahrgenommen wurden. Diese intellektuelle Umgebung förderte Logik und freies Denken und betrachtete Kontemplation und direkte Erfahrung als legitime Methoden, um Wissen zu erwerben. Diese Zeit war insbesondere durch eine pluralistische Haltung gekennzeichnet, welche ein Umfeld förderte, das die Koexistenz verschiedener Werte und Wissenssysteme akzeptierte. Die Einbeziehung von empirischer Beobachtung (Wahrnehmung) und logischem Denken (Inferenz) in das akzeptierte pramana zum Verständnis der Wirklichkeit legitimierte die wissenschaftliche Untersuchung inhärent als einen gültigen Weg zur Wahrheit, auch wenn die ultimative Wahrheit (Brahman) sich dem empirischen Zugang entzieht. Diese philosophische Begründung lieferte den nötigen intellektuellen Raum dafür, dass Wissenschaft und Religion koexistieren und sich ergänzen konnten, da beiden Bereichen die Eigenschaft zugeschrieben wurde, sie würden unterschiedliche, aber miteinander verbundene Aspekte zu einer größeren, ganzheitlichen Wahrheit beitragen.
Wissenschaftliche Fortschritte und spirituelle Verbindungen
Das alte Indien sah bemerkenswerte wissenschaftliche und technologische Fortschritte, die oft direkt mit religiösen und spirituellen Rahmenbedingungen verbunden waren. Das Streben nach Leben konzentrierte sich auf die Opfer, die akribisch zu Hause und in der Öffentlichkeit durchgeführt wurden, bekannt als puja, basierend auf der richtigen Aussprache, der richtigen Sprachwahl, der Selektion der Bestimmung des richtigen Zeitpunkts, speziell konstruiert mit geometrischer Präzision, die Strukturen für die Durchführung der Opfer sind signifikant, um einen Paradigmenwechsel von der vorvedischen hin zu einer vedischen Kultur zu bemerken, in der Wissenschaft und Technologie den religiösen Praktiken und spirituellen Sehnsüchten untergeordnet waren. Die akribischen Anweisungen werden unter den sogenannten Vedangas zusammengestellt, was „Glieder des Veda" bedeutet; darunter werden die sechs Hilfsdisziplinen im Hinduismus verstanden, die beim Verständnis und der Erhaltung der Veden helfen, bekannt als Shiksha (Phonetik), Chhanda (metrische Prosodie), Vyakarana (Grammatik), Nirukta (Etymologie), Jyotisha (Astronomie) und Kalpa (Ritual).
Astronomie integriert mit Astrologie (Jyotisha): indische Gelehrte wie Aryabhata und Varahamira machten präzise astronomische Beobachtungen und formulierten ausgeklügelte Theorien über planetare Bewegungen, Finsternisse und den Kosmos. Diese astronomischen Erkenntnisse waren oft direkt mit religiösen Ritualen und kosmologischen Ansichten verbunden, die tief in hinduistischen, buddhistischen und jainistischen Traditionen verwurzelt waren. Die Disziplin von Jyotisha, welche Astronomie, Astrologie und Mathematik umfasst, diente als lebenswichtiges „Utensil" für eine Vielzahl intellektueller Tätigkeiten, einschließlich derjenigen, die heutzutage als Naturwissenschaften klassifiziert würden. Mathematik und Astronomie wurden aktiv für religiöse Zwecke entwickelt und genutzt, wie zum Beispiel die Berechnung von verheißungsvollen Daten (muhurta) für Zeremonien oder die Bestimmung der Kompatibilität in der Ehe.
Mathematik: indische Mathematiker leisteten Pionierarbeit bei der Entwicklung des Konzepts der Null und sie entwickelten das Dezimalsystem und lieferten Innovationen, welche die Mathematik weltweit grundlegend revolutionierten. Die Vedische Mathematik beinhaltet eine fortgeschrittene Form der Arithmetik und Geometrie.
Medizin (Ayurveda): Ayurveda, das traditionelle indische Medizinsystem, kombinierte nahtlos spirituelle Konzepte, wie beispielsweise das Gleichgewicht der Energien (doshas), mit empirischen pflanzlichen Heilmitteln und chirurgischen Techniken. Seine Praktiken spiegelten deutlich einen Zusammenfluss von religiösen Überzeugungen und sorgfältigen empirischen Beobachtungen wider. Darüber hinaus enthielten vedische Texte ein komplexes System der Medizin, einschließlich früher Formen der Inokulation.
Philosophische Schulen und vedische Einsichten
Über die praktischen Anwendungen hinaus boten vedische Texte und philosophische Schulen tiefe theoretische Einsichten, die sich mit dem wissenschaftlichen Verständnis kreuzten.
Ökologie: Vedische Texte enthielten tiefgreifende ökologische Einsichten, die eine tiefe Verehrung der Natur und ein Verständnis der Biodiversität förderten. Sie betrachteten die Umwelt als ein heiliges, miteinander verbundenes System und betonten die gegenseitige Abhängigkeit durch Metaphern und die Ehrfurcht vor natürlichen Elementen.
Physik: Das vedische Denken erforschte grundlegende Konzepte von Materie, Energie und natürlicher Bewegung, wobei einige moderne Interpretationen faszinierende und umstrittene Verbindungen zur Quantenmechanik und zur Rolle des Bewusstseins aufwiesen.
Kosmologie: Die vedische Kosmologie präsentierte mehrere Schöpfungstheorien, einschließlich einer agnostischen Sichtweise in der Nasadiya Sukta, und ein Konzept von riesigen, zyklischen kosmischen Epochen, die Milliarden von Jahren umfassen, was bemerkenswert mit einigen modernen wissenschaftlichen Spekulationshypothesen wie Blasen- oder Big-Bounce-Theorien (Urpralltheorien) über die Entstehung des Universums übereinstimmt.
Atomismus: Die vedische Theorie des Atomismus unterschied subtile und grobe metaphysische Elemente, die einige faszinierende Parallelen zum Atomismus aufwiesen und den fünf grundlegenden kosmischen Dingen entsprachen, die von anderen alten Philosophen aus Griechenland ausgearbeitet wurden.
Religiosität – Spiritualität - Psychologie: Die anspruchsvolle Erforschung des Geistes, seiner verschiedenen Schichten und der Natur des menschlichen Lebens und seiner Zweckmäßigkeit, die ein ewiges Leben hervorhebt, das Gebete für universelle Erlösung beinhaltet, die durch die tiefgehenden philosophischen und spirituellen Abhandlungen, die als Upanishaden bekannt sind, ausgedrückt werden. Das "Asato ma sadgamaya"-Mantra, ein Teil des Brihadaranyaka Upanishad, (1.3.28) ist ein einzigartiges tiefgründiges Gebet im Sanskrit, das übersetzt bedeutet: "Führe mich von der Unwahrheit zur Wahrheit, von der Dunkelheit zum Licht und vom Tod zur Unsterblichkeit." Es ist ein Plädoyer für Anleitung und Erleuchtung zu Beginn der indischen Kultur, und bedeutet eine einzigartige Suchenach Sinnhaftigkeit, einer Annahme des Göttlichen und einer Sehnsucht, mit dieser Transzendenz letztlich zu verschmelzen.
Sakralisierung weltlicher Wissenschaften
Intellektuelle Aktivitäten wurden oft infolge der Klassenordnung der Gesellschaft monopolisiert und gaben ihr eine soteriologische Grundlage, um den Status quo zu erhalten. Das Manu Smriti, eine Sedimentation gesammelter Gedanken, gestaltet als Dialog zwischen Manu und Bhrigu, beinhaltet eine Diskussion von Themen im Zusammenhang von Pflichten, Rechten, Gesetzen, Verhalten, Tugenden, usw. Durch dieses Manifest wurde die ständige Begleitung von Frauen durch den Vater, den Ehemann und den Sohn festgelegt und dadurch der Schwerpunkt auf ein patriarchalisches Lebenssystem gelegt. Die Rolle der Brahmanen als Priester ermöglichte die Durchführung von pujas und wies ihnen so einen Spitzenstatus in der hochhierarchischen Gesellschaft zu. So spielten die Brahmanen eine entscheidende Rolle bei der „Sakralisierung" von Wissenschaften, die sonst als weltlich angesehen werden könnten. Dies wurde durch einen Sanskritisierungsprozess erreicht, bei dem nicht-arische -arisch von ārya (Sanskrit) = edel, würdig bzw. Selbstbezeichnung von Sprecher: innen indoiranischer Sprachen- Ideen und Praktiken dem vorherrschenden arischen Rahmen entsprachen und in den religiösen und philosophischen Mainstream integriert wurden. Bei diesem Prozess ging es nicht nur um religiöse Dominanz, sondern er stellte einen hochwirksamen Mechanismus zur Integration verschiedener Wissenssysteme in den vorherrschenden kulturellen und religiösen Rahmen dar. Durch die Verbindung wissenschaftlicher Praktiken, wie astronomische Berechnungen für günstige Zeitpunkte oder medizinische Praktiken für das Wohlbefinden mit religiösen Ritualen oder philosophischen Rahmenbedingungen, gewannen diese Praktiken immense Legitimität, Schirmherrschaft und ein robustes Übertragungsmittel über Generationen hinweg. Dies stellte sicher, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht als äußerlich, fremd oder bedrohlich für die bestehende religiöse Ordnung wahrgenommen wurden, sondern als ein intrinsischer und wertvoller Teil davon, wodurch ihre Entwicklung, Kontinuität und weit verbreitete Aufnahme in der Gesellschaft gefördert wurden. Dies impliziert auch eine subtile Machtdynamik, in der die dominante religiöse Elite das Narrativ um wissenschaftliches Wissen absorbierte, validierte und formte, sein Überleben in ihrem etablierten Rahmen sicherte und so andere zielgerichtet davon abhielt, in den Besitz dieses Wissens zu gelangen und dasselbe anzuwenden.

III. Indien im Mittelalter und in der Mogulzeit: Integration von Kulturen und Ethos
Im Mittelalter und in der Mogulzeit in Indien gab es erhebliche Veränderungen in der Beziehung zwischen Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität, die hauptsächlich durch die Ankunft und das Aufblühen der islamischen Gelehrsamkeit beeinflusst wurden. Diese Ära war durch eine Vermischung von Wissenssystemen und sich entwickelnden administrativen Ansätzen für religiöse Angelegenheiten gekennzeichnet, während wissenschaftliche Beschäftigungen weiterhin von philosophischen und spirituellen Motivationen beeinflusst wurden.
Während des Mittelalters gab es mit der Einrichtung einer eigenen Abteilung für religiöse Angelegenheiten eine erkennbare Bewegung in Richtung einer administrativen Trennung von religiösen Angelegenheiten. Wissenschaftler: innen haben in der Vergangenheit diskutiert, ob der Staat während der Sultanats-Zeit eine Theokratie war, worauf die komplexere Beziehung zwischen religiöser Autorität und staatlicher Regierungsführung hinweist, die mehr war als eine einfache religiöse Regel. Dies deutet darauf hin, dass, während institutionelle Strukturen begannen, Funktionen zu unterscheiden, die zugrunde liegenden philosophischen und praktischen Motivationen für wissenschaftliche Arbeit oft tief mit spirituellen oder religiösen Weltanschauungen verflochten blieben. Diese nuancierte Dynamik bereitet die Bühne für spätere Beobachtungen im zeitgenössischen Indien, wo formale Strukturen eine Trennung nahelegen könnten, aber die gelebte Realität und die intellektuellen Bestrebungen oftmals eine fortgesetzte Integration aufzeigen.
Integration neuer Wissenssysteme
Die Ankunft der Muslim:innen in Indien brachte neue medizinische Systeme hervor, allen voran jenes des Unani Tibb. Dieses System florierte nicht nur, sondern integrierte auch aktiv Wissen aus arabischen, persischen und bestehenden ayurvedischen Traditionen. Dies zeigt eine signifikante Vermischung und wechselseitige Bereicherung von verschiedenen medizinischen Wissenssystemen und unterstreicht eine offene Haltung der intellektuellen Umgebung. Bei diesem intellektuellen Synkretismus ging es nicht nur um den passiven Import neuen Wissens; es bedeutete einen aktiven und pragmatischen Prozess der Vermischung und Anpassung neuer Systeme mit bestehenden indigenen. Dies deutet auf ein äußerst nützliches und liberales intellektuelles Umfeld hin, in dem die Wirksamkeit und der praktische Nutzen des Wissens die starre Einhaltung einer einzigen, exklusiven Tradition ersetzen. Diese Periode war geprägt von der Koexistenz und der aktiven Interaktion verschiedener religiöser Traditionen und Wissenssysteme innerhalb einer breiteren gesellschaftlichen Struktur. Historische Berichte, wie die des chinesischen Pilgers Hiuen Tsang im 7. Jahrhundert n. Chr., unterstreichen die vorherrschende Toleranz der Herrscher gegenüber verschiedenen Religionen.
Die Beweggründe hinter wissenschaftlichen Bestrebungen
Besonders während des Sultanats von Delhi und des Mogulreiches trugen islamische Gelehrte durch ihre umfangreiche Übersetzungsarbeit von Texten sowie durch Erfindungen in den Bereichen der Astronomie, Optik und Medizin zur Erhöhung wissenschaftlicher Kenntnisse innerhalb Indiens bei. Indische Zahlwörter wurden an die islamische Gelehrsamkeit übermittelt und von dort an die weltweite Übertragung und die Weiterentwicklung von Mathematik, Wissenschaft und Technologie weitergegeben. Als Beispiel wurde Brahmaguptas mathematische Abhandlung, speziell sein Werk „Brahma-siddhanta", von Al-Khwarizmi als „Kitab al-Jabr wa-l-Muqabala" (Das Kompendium über die Berechnung durch Vollendung und Reduktion) übersetzt, das als Grundlage der Algebra gilt; durch die lateinische Übersetzung als Al Jebar wurde der Weg für die Einführung der indischen Mathematik in Europa und damit für die Universalisierung des Wissens und der Entwicklung der Mathematik geebnet.
Diese wissenschaftlichen Unternehmungen wurden oft durch grundlegende religiöse und philosophische Überlegungen angetrieben. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das stärkere Interesse des Mogulherrschers Akbar an der Astronomie, das direkt zur Errichtung von Observatorien und der entschlossenen Förderung der wissenschaftlichen Herangehensweise führte. Der Jantar Mantar in Jaipur und Neu Delhi ist eine Sammlung von 19 astronomischen Instrumenten, die vom Rajputenkönig Sawai Jai Singh, einem Vertrauten des Mogulreiches, erbaut worden waren. Es verfügt über die größte Steinsonnenuhr der Welt und diese Instrumente ermöglichen die Beobachtung astronomischer Positionen auf der Grundlage der aristotelischen ptolemäischen Positionsastronomie, welche auf den drei klassischen Hauptkoordinatensystemen betrieben wird, nämlich dem lokalen Horizont-Zenit-System, dem Äquatorialsystem und dem ekliptischen System, das von vielen anderen Zivilisationen geteilt wurde. Diese Schirmherrschaft wurde oft von einer Haltung der philosophischen Wertschätzung für die göttliche Harmonie im Kosmos begleitet und unterstützt, was darauf hinweist, dass religiöse und geistige Beweggründe weiterhin eine Basis für die wissenschaftliche Erforschung liefern. Dies unterstreicht eine Kontinuität des Themas „Wissenschaft als Weg zum Verständnis" aus der alten Zeit, doch durch Integration der vielen kulturellen und religiösen Geisteshaltungen zu einem ganzheitlichen Verständnis mit einer deutlich erweiterten Perspektive.

IV. Indien in der Kolonialzeit: Auferlegung, Spannung und Anpassung
Es folgte die Kolonialzeit durch das britische Königreich und die Eroberung Indiens durch die East India Company; seit der ersten indischen Revolution 1857 stand das Land unter der Herrschaft der britischen Krone. Die Kolonialzeit war geprägt von der Einführung der westlichen Bildung, wodurch die Beziehung zwischen Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität in Indien tiefgreifend beeinflusst wurde. Westliche Wissenschaft und Technologie wurden nicht in erster Linie als Werkzeuge zum Verständnis des Kosmos eingeführt, sondern als Instrumente der imperialen Kontrolle, was zu erheblichen Spannungen mit indigenen Traditionen und besonderen Anpassungsprozessen seitens der indischen Gesellschaft führte.
Westliche Wissenschaft und Technologie als Werkzeuge des Imperialismus
Die Einführung und Kultivierung der westlichen Wissenschaft und Technologie in Indien waren untrennbar mit der Agenda des Imperialismus verbunden. Die Hauptinteressen des Kolonialstaates hinsichtlich der Förderung von Wissenschaft und Technologie lagen im administrativen und wirtschaftlichen Bereich. Diese Bemühungen zielten speziell darauf ab, ein besseres Verständnis des Landes für eine effektivere Regierungsführung zu erlangen und vor allem die Ausbeutung seiner enormen Ressourcen systematisch voranzutreiben. Die „wissenschaftliche Methode" selbst wurde aktiv als ein Instrument der Kolonisation verwendet, oft untermauert von Vorstellungen von rassischer Überlegenheit; sie wurde ausdrücklich dazu verwendet, die Extraktion von Ressourcen und die Unterwerfung der Bevölkerung zu rechtfertigen. Diese Periode markiert eine tiefgreifende und disruptive Abkehr von früheren Epochen. Wissenschaft und Technologie wurden nicht mehr in erster Linie als „Wege zum Verständnis des Universums" oder motiviert durch die Suche nach „göttlicher Harmonie" wahrgenommen. Stattdessen wurden sie ausdrücklich umfunktioniert und wurden zu Werkzeugen für Regierungsvorhaben und Ausbeutung. Diese Instrumentalisierung veränderte die Natur der Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion grundlegend und führte einen direkten Konflikt herbei, zum einen zwischen westlichen und indischen Wissenssystemen, zum anderen zwischen Zweck und Ethik wissenschaftlicher Vorgehensweisen. Während die westliche Wissenschaft eingeführt und neue wissenschaftliche Institutionen gegründet wurden, war dieser Prozess weitgehend eine einseitige Projektion und Verbreitung westlicher Ideen. Dies geschah oft in einer deutlich eurozentrischen Weise, die Indiens eigene reiche und langjährige wissenschaftliche Traditionen systematisch übersah, unterschätzte oder verwarf. Diese Auferlegung eines ausländischen wissenschaftlichen Paradigmas, das oft als überlegen dargestellt wurde, verschärfte die Spannungen weiter. Infolgedessen gelang es einigen Intellektuellen Organisationen wie die Rastriya Swayam Sevak Sangh zu gründen, was der politischen Partei Bharatiya Janata Party den Anstoß gab, die ideologische Hindutvabewegung einzuleiten. Allmählich kontrolliert und regelt dieser Prozess nun die indische Szene und interpretiert sogar die wissenschaftlichen, technologischen, religiösen und demokratischen Grundlagen neu.
Spannungsfelder für indische Wissenschaftler: innen und Anpassung der westlichen Technologie für den Kulturerhalt
Als direkte Folge dieses Aufzwingens erlebten indische Wissenschaftler: innen in dieser Ära erhebliche Spannungen. Sie waren gefangen zwischen den Anforderungen der westlichen wissenschaftlichen Rationalität und ihren eigenen kulturell eingebetteten, institutionenorientierten indischen religiösen und spirituellen Werten. Sie suchten aktiv nach Wegen, diesen inhärenten Konflikt zu lösen. Diese von kolonialen Zielen getriebene Zweckverschiebung führte direkt zu Spannungen und Konflikten bei dem Versuch der Anwendung und Integration der Wissenschaft in der indischen Gesellschaft.
Trotz der übergreifenden kolonialen Agenda wurden Technologien, wie zum Beispiel die aus dem Westen importierte Drucktechnologie, von den Inder: innen auf erfolgreiche Art und Weise angepasst und genutzt. Dieser Prozess der Anpassung war nicht nur für die Annahme britischer Formen des Denkens und Handelns wichtig; in späteren Stadien wurde es ein mächtiges Werkzeug für die Erhaltung der einheimischen kulturellen Identität und religiösen Überzeugungen gegen einen wachsenden kolonialen und missionarischen Druck. Dies zeigt eine bedeutende Vermittlungs- und Widerstandsfähigkeit seitens der Kolonisierten. Während die Technologie ursprünglich dazu gedacht war, britische Ideen und Werte zu verbreiten, nutzten die Inder: innen sie strategisch, um die einheimische kulturelle Identität und den religiösen Glauben gegen kolonialen und missionarischen Druck zu bewahren. Dies hebt ein dynamisches Zusammenspiel hervor, bei dem die Technologie keine neutrale Kraft ist; ihre Wirkung wird grundlegend durch die Absichten und Kontexte ihrer Benutzer: innen vermittelt. Es zeigt, dass die Technologie ein zweischneidiges Schwert sein kann, das sowohl die Assimilation in vorherrschende Wertewelten erleichtert als auch gleichzeitig den Widerstand und die Erhaltung indigener religiöser und spiritueller Traditionen angesichts des Drucks von außen stärkt. Diese anpassungsfähige Nutzung weist auch auf die nationalistische Erzählung hin, die von Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi vertreten wird, der ausdrücklich die Bedeutung spiritueller Werte im Kontext der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung betonte und sich für einen ausgewogenen Ansatz einsetzte, der Indiens kulturelle Wurzeln respektierte und gleichzeitig die moderne Wissenschaft mit Bedacht umarmte.

V. Das zeitgenössische Indien: Inkongruenz, Koexistenz und umstrittene Grenzen
Im zeitgenössischen Indien ist die Beziehung zwischen Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität durch komplexe und nuancierte Dynamiken gekennzeichnet, die oft durch eine einzigartige Interpretation des Säkularismus, eine allgegenwärtige Überlappung in wissenschaftlichen Bereichen und anhaltende Debatten gekennzeichnet sind. Eine bemerkenswerte "Inkongruenz zwischen dem artikulierten Ideal und der gelebten Realität" wird an wissenschaftlichen Arbeitsplätzen im zeitgenössischen Indien beobachtet. Während ein erheblicher Teil der befragten indischen Wissenschaftler: innen die Beziehung als „Unabhängigkeit" oder „nicht überlappende Magisteria" (NOMA) betrachtet, eine Perspektive, die oft in westlichen Kontexten zu finden ist, zeigen qualitative Interviews, dass Religion konsequent entsteht und sich mit wissenschaftlicher Arbeit und deren Wirkungsräumen erheblich überschneidet. Dies steht in scharfem Gegensatz zu westlichen Kontexten, in denen Wissenschaftler: innen typischerweise eine strikte Trennung zwischen Glauben und Arbeitsplatz aufrechterhalten.
Die einzigartige Interpretation des Säkularismus und seine Anwendungsfelder
Diese allgegenwärtige Überlappung in Indien wurzelt tief im ausgeprägten indischen Verständnis des „Säkularismus", das sich grundlegend von der westlichen Vorstellung einer strikten Trennung von Kirche und Staat unterscheidet. Der indische Säkularismus bedeutet oft „gleicher Respekt für alle Religionen" (Sarva Dharma Sambhava) und ermöglicht folglich, dass Religion durch die verdienstvolle Verfassung Indiens, die 1956 von der Konstituierenden Versammlung (Constituent Assembly) verkündet wurde, in das öffentliche Leben integriert wird. Infolgedessen wird eine strikte Trennung zwischen Religion und Wissenschaft an indischen wissenschaftlichen Arbeitsplätzen nicht immer erwartet oder durchgesetzt. Dieser Kernunterschied im Verständnis und der Anwendung des Säkularismus ist ein kritischer Kausalfaktor für die beobachtete „Inkongruenz" zwischen Ideal und Realität. Westlicher Säkularismus, welcher sich allgemein für die strenge Trennung von Kirche und Staat einsetzt (zu einem NOMA Ideal in der Wissenschaft führend), kontrastiert stark mit dem indischen Säkularismus Prinzip des „gleichen Respekts für alle Religionen". Diese ausgeprägte philosophische Grundlage bewirkt und ermöglicht direkt eine institutionelle Autorisierung, Unterbringung und selektive Integration religiöser Praktiken in wissenschaftliche Räume. Der vorgeschlagene Begriff „Kommensalismus" oder „Koexistenz" ist eine direkte Konsequenz und genaue Beschreibung dieses einzigartigen säkularen Rahmens und erklärt, warum die gelebte Realität an indischen Arbeitsplätzen im Kontext von Wissenschaft so signifikant von einem westzentrischen Ideal der strikten Unabhängigkeit abweicht. Dies zeigt, wie tiefgreifend die grundlegende politische Philosophie einer Nation die praktische Interaktion zwischen Wissenschaft und Religion prägen kann.
Die Entstehung der Religion in diesen wissenschaftlichen Räumen manifestiert sich in verschiedenen Formen:
Institutionelle Autorisierung: religiöse Symbole und Praktiken werden manchmal auf institutioneller Ebene formell akzeptiert und unterstützt. Dazu gehören Anrufungen von Gottheiten auf großen wissenschaftlichen Konferenzen oder während der Eröffnungsfeierlichkeiten wissenschaftlicher Institute. Religiöse Feste, die von den Teilnehmer: innen oft als kulturelle oder soziale Ereignisse wahrgenommen werden, die eher mit der ethnischen Zugehörigkeit verbunden sind und daher nicht als streng religiös anzusehen sind, werden auch auf wissenschaftlichen Campi weithin gefeiert.
Anpassungsleistung: unter Wissenschaftler: innen lässt sich ein erstaunlich hohes Maß an Respekt und sozialer Anpassung für religiöse Ansichten und Praktiken beobachten, auch wenn diese kleinere Unannehmlichkeiten für wissenschaftliche Arbeitspläne oder Routinen darstellen könnten. Beispiele sind die Anpassung von Zeitplänen, basierend auf für die rituelle Praxis wichtigen Daten aus religiösen Kalendern, oder die Teilnahme an religiösen Praktiken, um Respekt für Kolleg: innen zu zeigen.
Selektive Integration: im Alltag integrieren einzelne Wissenschaftler: innen Religion auf unterschiedliche Weise aktiv in ihren Arbeitsalltag. Dazu gehören religiöse Symbole (wie Idole) in Büros und Laboratorien sowie religiöse Praktiken, wie das Beten für den Erfolg wissenschaftlicher Experimente. Während einige nichtreligiöse Wissenschaftler solche Praktiken mit Skepsis betrachten oder sie einem „Placebo-Effekt" zuschreiben, werden sie im Allgemeinen beobachtet und akzeptiert, oft mit einem hohen Grad an Toleranz. Diskussionen über Religion können unter Kollegen: innen, die über unterschiedliche religiöse Hintergründe verfügen, vermieden werden, sind aber bei denjenigen üblich, die einen ähnlichen Hintergrund haben.
Umstrittene Grenzen und einzigartige Aspekte im Vergleich zu westlichen Kontexten
Trotz dieser weit verbreiteten Vorrangigkeit der Prinzipien von Integration und Akkommodation sind die Grenzen zwischen Religion und Wissenschaft nicht völlig statisch und manchmal umstritten. Machthaber können gelegentlich öffentlich institutionelle religiöse Ausdrücke einschränken. Einzelne Wissenschaftler: innen bewerten Religion ggf. auch kritisch und kritisieren sie möglicherweise als potenziell schädlich für die wissenschaftliche Arbeit. Sie könnten argumentieren, dass religiöse passive Akzeptanz den Ansatz der kritischen Untersuchung und im Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien der wissenschaftlichen Methode steht.
Die Quellen betonen ausdrücklich, dass der Grad an religiöser Anpassungsleistung und Integration, welcher an indischen wissenschaftlichen Arbeitsplätzen üblich ist, in der westlichen Wissenschaft außergewöhnlich selten zu beobachten ist. Diese komplexe Interaktion passt nicht gut in konventionelle Kategorien wie Konflikt, Unabhängigkeit oder Zusammenarbeit, was dazu führt, dass Forscher: innen neue beschreibende Kategorien wie „Kommensalismus" oder „Koexistenz" vorschlagen, in denen Wissenschaft und Religion im selben Raum existieren, ohne sich notwendigerweise zu ergänzen oder zu widersprechen.
Ein bemerkenswerter Unterschied zu einigen westlichen Kontexten ist das relative Fehlen wichtiger polarisierender Themen wie der darwinschen Evolution als öffentliche Bedrohung für die Religion in Indien. Es gibt jedoch Debatten über Themen wie Evolution vs. Kreationismus, die Rolle der Astrologie in der Gesellschaft und die Integration der traditionellen Medizin in die moderne Gesundheitsversorgung. Die ausdrückliche Erwähnung des Fehlens der darwinschen Evolution als eine große öffentliche Bedrohung der Religion in Indien ist eine bedeutende vergleichende Beobachtung. In vielen westlichen Kontexten verkörpert dieser Konflikt die empfundene Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Religion und wird oft zu einem Schwerpunkt der öffentlichen Debatte. Seine relative Abwesenheit in Indien legt nahe, dass die zugrunde liegenden erkenntnistheoretischen Annahmen über Wissen und Wahrheit und die kulturellen Arten der Interpretation religiöser Texte grundsätzlich unterschiedlich sind. Wenn, wie im alten Indien, Wissenschaft und Religion beide als „Wege zum Verstehen" konzipiert wurden, und wenn religiöse Texte eher metaphorisch, allegorisch oder als Einsichten statt wörtlicher wissenschaftlicher Behauptungen interpretiert wurden, dann ist ein direkter, öffentlicher und polarisierender Konflikt über wissenschaftliche Theorien wie die Evolutionstheorie weniger wahrscheinlich. Dies impliziert eine größere kulturelle Flexibilität bei der Interpretation religiöser Texte oder eine andere kulturelle Betonung der Bereiche religiöser Autorität gegenüber der Methode der wissenschaftlichen Untersuchung, was zu einer entgegenkommenderen Haltung gegenüber wissenschaftlichen Theorien führt.
Der Einfluss soziokultureller Faktoren
Über direkte Interaktionen hinaus beeinflussen breitere soziokulturelle Faktoren die Dynamik von Wissenschaft und Religion im heutigen Indien erheblich. Es gibt Fälle, in denen die Wissenschaft strategisch verwendet wird, um religiösen Ansprüchen Legitimität zu verleihen oder auch im breiteren Kontext des hinduistischen Nationalismus genutzt wird. Das Kastenwesen bleibt ein verborgener, aber durchdringender Einfluss in wissenschaftlichen Institutionen und beeinflusst Möglichkeiten und Wahrnehmungen der Eignung für wissenschaftliche Karrieren subtil. Die soziale Einbettung von Wissenschaftler: innen in familiäre und kulturelle Kontexte, in denen Religion eine herausragende und oft zentrale Rolle spielt, beeinflusst auch ihre Präsenz und Alltagsrealität am Arbeitsplatz erheblich. Die Einbeziehung von Kastenwesen und Hindu-Nationalismus als Einflüsse weist auf tiefere, oft verborgene gesellschaftliche Kräfte hin, welche die Dynamik formen. Kaste, als „verborgener Einfluss", der „Möglichkeiten und Wahrnehmungen der Eignung für die Wissenschaft" betrifft, impliziert, dass bereits bestehende soziale Hierarchien und Identitäten den Zugang zu und die Teilnahme an wissenschaftlichen Bereichen subtil vermitteln können, möglicherweise im Zusammenspiel mit religiöser Identität und Privilegien. In ähnlicher Weise weist der Einsatz der Wissenschaft zur „Legitimierung der Religion" oder zur Nutzung des Hindu-Nationalismus auf eine bedeutende politische und ideologische Dimension hin, in der die Wissenschaft nicht nur ein neutrales Streben nach Wissen ist, sondern für breitere soziopolitische Agenden vereinnahmt werden kann. Diese Faktoren zeigen, dass die Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion nicht rein intellektuell oder philosophisch ist, sondern tief in das soziopolitische Gefüge einer Nation eingebettet und von diesem beeinflusst ist und die Interaktion durch komplexe Schichten von Macht, Identität und Ideologie mitbestimmt wird.

VI. Wissenschaft und Religion in Indien: Eine einzigartige philosophische und kulturelle Synthese von Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität.
Zusammenfassend haben Wissenschaft und Religion in Indien historisch koexistiert und sich tiefgreifend beeinflusst, was in einer einzigartigen philosophischen und kulturellen Synthese gipfelte. Während eines Großteils der indischen Geschichte dienten religiöse Überzeugungen häufig als Anregung für wissenschaftliche Erkundungen, während wissenschaftliche Erkenntnisse wiederum das spirituelle Verständnis bereicherten. Diese oft harmonische Beziehung spiegelt Indiens breitere philosophische Weltsicht wider, die konsequent Einheit, Vielfalt und das Streben nach ganzheitlichem Wissen in Bezug auf ihre Ideologie der Einheit in Vielfalt oder ein lebendiges Mosaik von Religionen, Kulturen, Sprachen, Traditionen und Ethos betont. Die Entwicklung wurde von der inhärenten Integration der antiken Zeit durch die synkretistische Vermischung und administrative Wende in der Zeit des Mittelalters, die Auferlegung fremdkultureller Werte und die daraus resultierenden Spannungen der Kolonialzeit bis hin zu der einzigartigen Form des „Kommensalismus" und der umstrittenen Koexistenz verfolgt, die im zeitgenössischen Indien beobachtet werden, das durch seine besondere Interpretation des Säkularismus geprägt ist.
Indiens historischer Werdegang stellt grundsätzlich vereinfachende westliche Dichotomien des Konflikts oder der strikten Trennung in Frage und bietet ein überzeugendes Modell des „Kommensalismus" oder der „Koexistenz", bei dem diese Bereiche häufig den gleichen Raum teilen und sich gegenseitig beeinflussen. Das wiederkehrende Thema, das in den historischen Epochen identifiziert wurde, vom alten Konzept der Wissenschaft und Religion als „Wege zum Verständnis" bis zum zeitgenössischen Phänomen des „Kommensalismus", ist das übergreifende Streben nach „ganzheitlichem Wissen". Dies ist nicht nur ein abschließender zusammenfassender Punkt, sondern stellt ein grundlegendes, charakteristisches Merkmal des indischen Wissensansatzes dar. Es impliziert, dass das ultimative Ziel der Untersuchung starre disziplinäre Grenzen überschreitet und verschiedene Formen des Wissens (wissenschaftlich, spirituell, technologisch) als miteinander verbundene Facetten einer einzigen, größeren Wahrheit oder Realität betrachtet. Diese dauerhafte Perspektive bietet eine wertvolle und überzeugende Alternative zu den oft vorherrschenden westlichen Konflikt- oder strikten Trennungsmodellen, was darauf hindeutet, dass Integration und Koexistenz eine tragfähige, produktive und kulturell resonante Art der Interaktion sein können. Dieses Paradigma ist ein Schlüsselfaktor, der Indien als bedeutenden beitragsleistenden Partner zum globalen Diskurs über Wissenschaft und Religion positioniert.
Trotz dieser einzigartigen Synthese navigiert das zeitgenössische Indien weiterhin durch ständige Debatten, insbesondere über Themen wie Evolution gegen Kreationismus, die gesellschaftliche Rolle der Astrologie und die Integration der traditionellen Medizin in das moderne Gesundheitswesen. Diese Diskussionen unterstreichen die anhaltende Spannung zwischen rein säkular-rationalen Ansätzen und denen, die Spiritualität und Religion als integralen Bestandteil des Verständnisses der Welt betrachten. Während „Integration" ein Markenzeichen der Antike ist, zeigt der umfassende historische Überblick, dass diese Integration kein statischer oder unveränderlicher Zustand ist. Stattdessen transformiert und passt sie sich signifikant über verschiedene Epochen hinweg an: von einer inhärenten philosophischen Einheit (in der Antike) über eine synkretistische Vermischung und administrative Kompartimentierung (im Mittelalter), zu einer erzwungenen Spannung und einem adaptiven Widerstand (in der Kolonialzeit) und schließlich zu einer einzigartigen Form von „Kommensalismus" an zeitgenössischen Arbeitsplätzen. Dies unterstreicht, dass die Beziehung zwischen Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität in Indien eine kontinuierlich verhandelte und neu definierte Dynamik ist, die tiefgreifend von sich verändernden historischen, politischen, sozialen und kulturellen Kontexten geprägt ist. Die „einzigartige kulturelle Synthese" wird daher am besten als ein fortlaufender, adaptiver Prozess verstanden, obwohl es Paradigmenwechsel gab, sich jedoch nicht mit einem festen Ergebnis entwickelte, das kontinuierliche Verhandlungen und Neubewertung von Grenzen und Interaktionen erforderte. Die ideologischen Interventionen in die politischen Prozesse beeinflussen in der Tat die wissenschaftlichen und religiösen Perspektiven des gegenwärtigen Kontextes Indiens. Diese dynamische Perspektive unterstreicht die Komplexität und Resilienz des indischen Ansatzes. Der indische Kontext mit seinem reichen Teppich aus historischen, philosophischen und soziokulturellen Faktoren bietet eine einzigartige und wertvolle Fallstudie zum Verständnis der vielfältigen und dynamischen Existenz- und Interaktionsweisen zwischen Wissenschaft, Technologie, Religion und Spiritualität auf globaler Ebene.
Mathew Chandrankunnel
Publiziert im Juli 2025
Übersetzung: Petra Vogler
Further reading
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Bildnachweis
- map by Anna Polishchuk (c) Adobe Stocks #3155264
- Panorama of Indus valley in Himalayas. Ladakh, India by Dmitry Rukhlenko (c) Adobe Stocks #73945285
- Indian zodiac by Juulijs (c) Adobe Stocks #54970123
- Church of St. Cajetan; Goa, India by lenkusa (c) Adobe Stocks #62133404
- Sculpture of Maitreya buddha at Thiksey Monastery by zephyr_p (c) Adobe Stocks #84595164
- Tempel in Indien by Karsten Thiele (c) Adobe Stocks #10241961