Nur der Himmel ist die Grenze? Nachhaltige Entwicklung als Herausforderung am Beispiel unserer Weltraumumgebung

Leitartikel von Andreas Losch

Nachhaltigkeit ist eine Notwendigkeit unserer Zeit. Auf politischer Ebene wurden die Millenniumsziele der Vereinten Nationen bereits 2015 hin zu 17 Nachhaltigkeitszielen erweitert, die von Armuts- und Hungerbekämpfung, Gesundheit und Bildung über gesellschaftliche Fragen wie die Gleichstellung der Geschlechter bis hin zum Klimaschutz reichen, und im Übrigen auch ökonomisches Wachstum einschließen, weil es mit Beschäftigung und Wohlstand verbunden wird. Nachhaltigkeit als Inklusionsprinzip soll hier im Grunde die Errungenschaften der neuzeitlichen Zivilisation absichern, ohne die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen aus dem Blick zu verlieren und den bereits an der Umwelt angerichteten Schaden zu übersehen. Wurde dabei aber vielleicht immer noch etwas vergessen?

Die ökologische Krise, insbesondere in Gestalt des Klimawandels, ist die Herausforderung des neuen Jahrtausends. Bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts dämmerte die Einsicht, dass es so etwas wie eine Krise der Erde geben könnte. „Kein böser Zauber, kein feindlicher Überfall hatte in dieser verwüsteten Welt die Wiedergeburt neuen Lebens im Keim erstickt. Das hatten die Menschen selbst getan”, wie die Biologin Rachel Carson es in ihrem Buch Silent Spring («Der stumme Frühling») bereits 1962 zum Ausdruck brachte (S. 16). Dieses Buch wurde zur Keimzelle der Umweltbewegung.

In einem vielzitierten Essay in dem Journal Science von 1967 analysierte der Historiker Lynn White die historischen Wurzeln der ökologischen Krise als von religiöser Art. Der christliche Glaube, dass die Menschheit in Gottes Bild geschaffen sei und in großem Maße Gottes Transzendenz der Natur teile (White 1967, 1205), etablierte einen Dualismus von Mensch und Natur, dessen prominenteste Früchte Wissenschaft und Technologie waren. „Unsere Wissenschaft und Technologie sind aus christlichen Einstellungen zum Verhältnis des Menschen gegenüber der Natur hervorgegangen, die fast überall eingenommen wurden, nicht nur von Christen und Neo-Christen, sondern auch von denjenigen die Wert darauflegen, sich als postchristlich zu betrachten.” (1206)

Nach dieser Analyse schlägt Lynn einen Ausweg aus der Lage vor. „Noch mehr Wissenschaft und Technik werden uns nicht aus der gegenwärtigen ökologischen Krise herausführen, es sei denn wir finden eine neue Religion, oder überdenken die Alte ” (1206). White ist überzeugt: „Da die Wurzeln unserer Schwierigkeiten so weitgehend religiös sind, muss die Lösung ebenfalls im Wesentlichen religiös sein, ob wir sie nun so nennen oder nicht.” (1207)

M.E. muss tatsächlich eine Art von Respekt gegenüber der Natur wieder etabliert werden. Muss es sich dabei jedoch um eine dezidiert religiöse Einstellung handeln? Nach White ja eigentlich gerade nicht, auch wenn es vielleicht so klingt. Die christliche Theologie ist keinesfalls in der Situation, ein großes Vorbild in dieser Sache zu sein, liegt ihr Einfluss doch an der Wurzel der Krise und ist Teil des Problems. „Das Christentum trägt eine immense Schuld” (1206). Umso mehr muss die Theologie ihre Aufgabe überdenken, und sie arbeitet zum Glück seit den 60er Jahren daran. White schlug die revolutionäre Idee der Gleichheit aller Geschöpfe, einschließlich des Menschen, vor und forderte Franziskus als Schutzheiligen für die Ökologen einzusetzen.

Wir sind in der glücklichen Lage, seit 2013 den ersten Papst zu haben, der Franziskus als Namenspatron gewählt hat. Er eröffnet seine erste selbstgeschriebene Enzyklika mit der Erinnerung, dass Mutter Erde aufschreit „wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern. Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen bemerken.» (Franziskus 2015, 3)

Seit René Descartes die Menschheit mit «Herren und Eigentümern der Natur» verglich, haben wir das Aufblühen von Wissenschaft und Technik erlebt. Dies führte zur industriellen Revolution, und in Folge dessen zur ökologischen Krise, einen Notstand auf unserer gemeinsamen planetaren Heimat Erde.

 

Das Ende der Vorsehung und die Grenzen des Wachstums

„Die Welt lebt bereits im Notstand, nur will das niemand wahrhaben. Es sind keine Geister der Zukunft, die ich beschwöre, sondern ein Zustand, der bereits existiert.” (Aurelio Peccei)

Der Schriftsteller Carl Amery eröffnete sein einflussreiches Buch mit diesem Zitat von Peccei und führte aus, dass der gegenwärtige Zustand der Welt durch einen weltweiten Konsens erreicht worden sei, der durch die Adaption und Internalisierung der Leitmotive der jüdisch-christlichen Tradition hergestellt worden war. Wie White, aber unabhängig von dessen Analyse, betont er, dass es eine christliche Geschichte gibt, an der wir alle teilhaben, einschließlich der Gegner des Christentums. Diese Geschichte hatte wohltuende und gnadenlose Folgen gleichermaßen. Während es Sinn macht, die wohltuenden Folgen zu behalten, müssen wir uns den gnadenlosen Folgen stellen, die uns alle betreffen.

Im Kern des „Christlichen Fluchs”, so Amery, liegt die Überzeugung, dass der Mensch das einzige Ebenbild Gottes sei, ein Geschöpf eigener Art, Ziel und Zweck der Schöpfung; sie führt zu seiner totalen Herrschaft über die Erde. Es gibt kein Gebiet in der Natur mehr, welches tabu ist, keine heiligen Stätten und keine Trennung in heilig und profan. Alles steht dem Menschen offen (Amery 1972, 18-19). Die Idee einer Erlösungsgeschichte führte die lineare Vorstellung der Zeit ein, und der Bogen von Noahs Bund versicherte dem Menschen, eines Tages das glückliche Ende der Geschichte zu erreichen.

Auf diese Weise wurden die Idee und der Glaube an den Fortschritt geboren. «Die Grenzen des Wachstums», der Bericht des Club of Rome, versuchte dem, ein Ende zu setzen, und argumentierte für einen Übergang in der Zielorientierung von Wachstum hin zu globalem Gleichgewicht (Meadows 1972).

Nur der Himmel ist die Grenze?

Während heidnische Religionen jeden Baum, jede Quelle, jeden Strom und jeden Hügel derart verehrten, dass sie ihren eigenen Schutzgeist hatten, „machte es das Christentum möglich, die Natur auf eine Weise auszubeuten, die indifferent gegenüber den Gefühlen natürlicher Gegenstände war … Des Menschen objektives Monopol auf den Geist in dieser Welt wurde bestätigt, und damit zerbröckelten die alten Vorbehalte, die Natur auszubeuten.” (White 1967, 1205) Man könnte dem hinzufügen, dass die einzige Domäne, die für Gott reserviert blieb, der Himmel war, vorgestellt als Reich Gottes und der Engel. „Himmel” ist daher das christliche Symbol der Transzendenz, wie es populär in der Legende zum Ausdruck kommt, dass der erste Kosmonaut Jury Gagarin gesagt haben soll, er habe Gott dort oben nicht gefunden (Schuh 2019).

Der beste Beweis für diese „Lokalisierung” der Transzendenz ist, dass während das dominium terrae (die Beherrschung der Erde) eindeutig eine Aufgabe ist, die der Menschheit in der biblischen Schöpfungsgeschichte übertragen wird, ein dominium coeli (eine Beherrschung des Himmels) niemals auch nur angedacht worden ist. Der Umgang mit den Ambivalenzen des Himmelskonzeptes, es in „only sky” (John Lennon) zu säkularisieren, wurde der Fokus des Projektes der Moderne durch die Jahrhunderte hinweg (vgl. Blumenberg 1965, 11).

Man könnte jedoch argumentieren, dass „die Erde“ in Gen 1, die Gott schuf, nicht den Planeten Erde meinte, sondern jegliches bewohnbare Land. Es könnte noch mehr solches Land geben, d.h. andere Planeten. Dann jedoch müssten wir die „heiligen” Himmel durchqueren, um es zu erreichen. Wiederholen wir dadurch wieder den Fehler, Tabus zu brechen, die unsere Umgebung vor uns geschützt hatten?

Die moderne Bibelauslegung versteht das dominium terrae jedoch mehr als eine Verpflichtung einer Verantwortung für die Erde denn als Idee einer totalen Herrschaft. Christian Link weist darauf hin, dass Amery diesbezüglich daher nicht richtig liegt. Es war nicht die biblische Gewissheit, das Ende der Geschichte zu erreichen, welches den Gedanken der Notwendigkeit des menschlichen Fortschritts hervorbrachte, sondern die Erschütterung dieser Gewissheit durch nominalistische Überlegungen über die möglicherweise willkürliche Freiheit Gottes; gerade der Zweifel an einem guten Ende der Geschichte brachte also den Menschen dazu, sich selbst entwickeln zu wollen. Ein Zeichen für dies ist die Umkehr der biblischen Reihenfolge. In Gen 1 wird die Gottesebenbildlichkeitdem Menschen vor dem dominium terrae zugesprochen;  in Bacons Valerius Terminus ist es aber das Bestreben des Menschen, die Erde zu beherrschen, welches ihn erst gottähnlich werden lässt (Link 2012, 194).

Die Idee der Nachhaltigkeit

Aus unserem Umgang mit der Krise wurde die Idee der nachhaltigen Entwicklung geboren, welche allerdings die Notwendigkeit einer ökonomischen Entwicklung nicht in Frage stellt, sondern anerkennt.

Der deutsche Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt aus der Forstwirtschaft; es geht darum, wie mit vorhandenen Ressourcen so umgegangen werden kann, dass ihre natürliche Regeneration ein fortdauerndes Bewirtschaften erlaubt. Dies ist die bekannte ökonomisch-ökologische Grunddimension der Nachhaltigkeit. In der politischen Wahrnehmung ist der englische Korrespondenzbegriff „Sustainability“ jedoch älter; er wurde von der sog. Brundtland Kommission in die politische Debatte eingebracht. Der offiziellen Definition dieser Kommission gemäß ist nachhaltige Entwicklung eine „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können,” wobei „Bedürfnisse” insbesondere die wesentlichen Bedürfnisse der Armen der Welt sind (Hauff 1987, 46). Nachhaltigkeit ist in politischer Perspektive also ein Konzept, dass neben der ökonomischen und ökologischen Dimension ebenso von Anfang an eine soziale Dimension umschließt, auch wenn diese oft übersehen wird.

Diese ökosoziale Perspektive mag ein Erbe der früheren Thematisierung der Angelegenheit im Zusammenhang des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) sein. Bereits 1974, also mehr als eine Dekade vor der Arbeit der Brundtland Kommission, fand in Bukarest eine „Weltkonferenz über Wissenschaft und Technologie für eine menschliche Entwicklung“ statt. „Auf dieser Bukarester Konferenz wurde erstmals der Begriff einer ‚sustainable and just society‘ verwendet.“ (Lienemann 2007) Von daher ist es zu verstehen, warum im Konzept der Brundtland-Kommission «eine Mehrdimensionalität angelegt [ist], die es in der deutschen Ursprungsbedeutung nicht» gibt (Tremmel 2003, 98), und dazu gehört insbesondere die soziale Gerechtigkeitsdimension. Auch nach Papst Franziskus‘ Umweltenzyklika Laudato si müssen wir anerkennen, „dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.“ (Franziskus 2015, 58f)

Nachhaltigkeit im Weltraumzeitalter

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist heute  allgemein anerkannt. Im Weltraumzeitalter stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit jedoch noch einmal neu. Ein Gebiet der nachhaltigen Entwicklung fehlt in den UN Nachhaltigkeitszielen, und das ist unsere Weltraumumgebung welche hier als 18. Ziel zur Diskussion vorschlagen werden soll. Warum ist dies gerade heute von Bedeutung?

Nachdem der Sputnikschock Geschichte ist und der Mond bereits betreten wurde, bemühen sich NASA, ESA und ihre konkurrierenden und kooperierenden Raumfahrtprogramme wiederholt um Erkundungsmissionen zum Mars oder in weiter entferntere Gebiete unseres Sonnensystems. Private Akteure investieren vor allem in zahlreiche Satellitenstarts und in den Raumfahrttourismus; immerhin ist es aber auch ein privates Unternehmen (Elon Musks SpaceX), das die Internationale Raumstation ISS mitversorgt. Mit dem derzeitigen Vorhaben von Firmen wie Planetary Ressources oder Deep Space Industries, erdnahe Ressourcen (z.B. Asteroiden) auszubeuten, ist das Weltraumzeitalter nun dabei, in ein neues Stadium einzutreten. Im November 2015 unterzeichnete der US-Präsident den SPACEAct und eröffnete damit US Bürgern die Möglichkeit, sich für die Erforschung und Gewinnung von Weltraumressourcen einzusetzen; es geht um  abiotische Ressourcen einschließlich von Wasser und Mineralien.

Man kann sich fragen, ob dies im Gegensatz zum internationalen Outer Space Treaty (1967) steht, da dort der Gebrauch des Weltraums explizit zum Wohle und im Interesse aller Länder erfolgen soll (Art. I). Der SPACE Act schliesst durch einen Disclaimer an seinem Ende Eigentum an Asteroiden selbst zwar ausdrücklich aus, doch ist das Extrahieren von Mineralien deswegen schon gestattet? Die USA können sich in ihrer Interpretation auf eine andere Stelle des Treaty beziehen, wo er besagt dass der Weltraum frei für die Erforschung und Nutzung durch alle Staaten sein soll (Art. I). Sie interpretieren die für Asteroidenbergbau erforderliche Gewinnung von Mineralien dann als einfache Nutzung.

In diesem Sinne hat die luxemburgische Regierung die Initiative ergriffen und am 3. Februar 2016 eine Reihe von Maßnahmen bekanntgegeben, „um das Großherzogtum als ein europäisches Zentrum für die Erkundung und Nutzung von Weltraumressourcen zu positionieren. Zu den wichtigsten Schritten, die als Teil der Initiative spaceresources.lu ergriffen werden, gehört ein Gesetzes- und Regulierungsrahmen, welcher Klarheit über die Besitzverhältnisse der Mineralien gibt, die im Weltraum auf erdnahen Objekten (sog. Near Earth Objects, NEOs) wie Asteroiden gewonnen werden. … Ein solcher Rechtsrahmen wird im vollständigen Einklang mit den internationalen Verpflichtungen des Landes ausgearbeitet. Luxemburg ist bestrebt, dabei mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten.“ (Luxembourg 2016) Vermutlich versucht es mit dieser Ausrichtung auch, dem Geiste des Outer Space Treaty zu entsprechen. Natürlich ist der beabsichtige Weltraumbergbau selbst noch Zukunftsmusik, doch die notwendige Gesetzgebung wurde bereits verabschiedet, und es wird auch schon in Forschung und Entwicklung investiert.

Während die ESA unter dem Stichwort «Space 4.0» die neuen Gegebenheiten konzeptualisiert, hat auch die NASA (bereits 2014) eine Initiative unter dem Titel „Planetary Sustainability“ (Planetare Nachhaltigkeit) lanciert. NASAs Vision umfasst drei Punkte:

  1. Eine Welt, in der alle Völker Zugang zu ausreichend Wasser, Nahrung und Energie haben, ebenso wie Schutz vor schweren Stürmen und Folgen des Klimawandels;
  2. Gesundes und nachhaltiges weltweites ökonomisches Wachstum aus erneuerbaren Produkten und Ressourcen;
  3. Eine multiplanetare Gesellschaft, in der die Ressourcen des Sonnensystems für die Völker der Erde verfügbar sind (NASA 2016).

Der dritte Punkt deckt sich also mit den bereits beschriebenen Vorhaben. Welchen Sinn aber hat die Nutzung der Weltraumressourcen? Kann damit die Ressourcenknappheit auf der Erde abschliessend gelöst werden oder handelt es sich schlicht um eine Problemverschiebung, eine temporäre Verlagerung der Grenzen des Wachstums in den Weltraum?

Planetare Nachhaltigkeit

Die Grundidee der NASA Initiative, dass ein nachhaltiges Wirtschaften auf der Erde im Kontext der zunehmenden Raumfahrt überdacht werden sollte, soll hier jedoch aufgenommen werden, allerdings in einem breiteren Sinne als dort. Während NASAs Vision für Planetare Nachhaltigkeit darauf zielt, „die Ressourcen des Sonnensystems für die Völker der Erde verfügbar“ zu machen, sollte man darüber hinaus erwägen, ob nicht z.B. Biosphären anderer Planeten in ihrer jetzigen (vermutlich lebenslosen) Form ein Existenzrecht haben, wenn «Biosphären» zusammenstoßen. Dies ist zuerst eine kulturelle Frage, schließt aber die Frage ein, ob nur ein tatsächlicher Lebensraum schützenswert ist oder auch ein möglicher Lebensraum, denn es ist schwierig, das Vorhandensein von Leben auf einem Himmelskörper gänzlich auszuschließen (Persson 2014). Möglicherweise können wir bereits auf unseren Reisen zum Mars Spuren oder Überbleibsel von extraterrestrischem Leben finden; neben dem Mars ist insbesondere der Jupitermond Europa hier zu nennen, der einen Ozean unter seiner Oberfläche besitzt. Auf der Erde wurden Lebensformen (Extremophiles) entdeckt, die in Umgebungen gedeihen, die für menschliches Leben unwirtlich oder gar tödlich sind; man kann also nicht ausschließen, dass dies auch anderswo im Sonnensystem der Fall war oder ist.

Das Konzept der planetaren Nachhaltigkeit soll hier also so verstanden werden, dass es in gewissem Masse den Schutz von Planeten (und Monden) als potentiellen Lebensräumen und zudem im Sinne einer auch kulturellen Dimension der Nachhaltigkeit den Eigenwert ihrer naturbelassenen Form zur Diskussion stellt. Das widerspricht zumindest zum Teil der beabsichtigten Gewinnung von Weltraumressourcen. Sollte man z.B. den Mons Olympus auf dem Mars schützen, oder sollte dessen Terrain dem Abbau freigegeben werden, wenn er wertvolle Mineralien enthält, und dies eines fernen Tages möglich sein sollte?

Allgemein wird der Begriff der Nachhaltigkeit durchaus als Gegensatz zu Wachstumsfantasien verstanden, so z.B. bei Vogt als „Zukunftsvorsorge, deren motivierende Hoffnung nicht Fortschrittsoptimismus ist, sondern die Vision eines gelungenen Lebens in den Grenzen der Belastungsfähigkeit der Natur.“ (Vogt 2009, 28) Man darf m.E. aber nicht übersehen, dass eine Expansion des menschlichen Lebensraums in den Weltraum andererseits langfristig betrachtet überlebenswichtig ist. Wenn nachhaltige Entwicklung eine Entwicklung ist, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können,“ (Hauff, 46) muss man m.E. auch diese sehr langfristige Perspektive im Blick haben. Z.B. könnte eine Kollision der Erde mit einem Asteroiden anstehen, wie sie die Dinosaurier weitgehend ausgelöscht hat. Ein Einschlag dieser Größenordnung ist statistisch leider längst überfällig. Auch die alltägliche Erderwärmung in Folge des menschengemachten Klimawandels in unserem „Anthropozän“ könnte eines Tages zum Verlassen der Erde zwingen. Dies darf natürlich nicht als Ausrede benutzt werden und es muss alles unternommen werden, um die Erderwärmung zu begrenzen. Eines fernen Tages jedoch wird die Sonne selbst so heiss werden, dass Leben auf der Erde kaum mehr möglich sein wird.

Dies schmälert die Bedeutung der zuvor genannten Dimensionen der Nachhaltigkeit allerdings nicht, sondern macht sie zur Ermöglichung eines sehr langfristigen technologischen Wandels umso wesentlicher. Ziel muss die Durchsetzung einer nachhaltigen grüneren Technik sein.

Ethische Fragen im Kontext einer planetaren Nachhaltigkeit umfassen zusammengefasst also einen technologischen Imperativ, aber auch die damit verbundene Verantwortung bezüglich der Aneignungvon und der möglichen Problematiken des Eingriffs in (zunächst erdnahe) extraterrestrische Ressourcen und damit mögliche Lebenswelten. Insbesondere der Mond ist derzeit im Fokus der Weltraumakteure.

Es sei erwähnt, dass auf einer anderen Ebene auch die UN sehr wohl an Nachhaltigkeit im Weltraum arbeiten. Das United Nations Office for Outer Space Affairs (UNOOSA) hat eine Space2030 Agenda vorgeschlagen, die von der UN Vollversammlung 2019 unterstützt wurde (A/RES/73/91). Die Erde ist eben auch Teil eines Universums, und umgeben von Milliarden von anderen Himmelsobjekten.

Ausblick

Ökologie kommt von Oiko-logie, es ist ein Wissen über unseren gemeinsamen Oikos, d.h. „Heim“ auf Griechisch. Unser gemeinsames planetares Heim ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein die Erde. Auch wenn wir in den letzten Jahren mehr als 4000 Exoplaneten entdeckt haben, und die Zahl nimmt ständig zu, bleibt die Erde doch der einzige bewohnbare Planet, der Leben trägt, den wir bislang kennen. Manche nehmen an, dass einfaches Leben im Universum weit verbreitet sein könnte, jedoch selbst dann bleibt die Erde selten, vielleicht der einzige Planet mit intelligentem Leben, auch wenn es wohl niemals möglich sein wird, zu beweisen, dass wir wirklich allein sind.

Mit dem Anbruch des Weltraumzeitalters, und dem Beginn des Weltraum­rennens haben wir begonnen, eine neue Perspektive auf unseren Planeten zu gewinnen. Der sogenannte „Überblickseffekt”, der von unserem ersten Blick auf die Erde vom Weltraum aus herrührt – aufgenommen Heiligabend 1968 –, lehrt uns, dass das „Raumschiff Erde“ eine fragile blaue Murmel ist, ein seltenes Juwel in den Weiten des Weltalls.

Andreas Losch
Publiziert im September 2021

 

PD Dr. Andreas Losch, MBA ist Chefredakteur von dieser Webseite "Dialog Theologie & Naturwissenschaften".
Der Text ist eine Kurzfassung des 14. Kapitels der von der Universität Zürich angenommenen Habilitationsschrift des Autors.

Sie lesen lieber aus einem Buch? Sie finden diesen Artikel auch in unserem dritten Buch zu dieser Webseite, "Gottes Schöpfung und menschliche Technik" (Darmstadt 2022). 17 namhafte Autoren führen den Dialog mit Wissenschaft und Technik angesichts der Gottesfrage weiter.

Literatur

Carl Amery, Das Ende der Vorsehung: Die gnadenlosen Folgen des Christentums (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1972)

Blumenberg, Hans. Die kopernikanische Wende. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag, 1965.

Franziskus und Gerhard Ludwig Müller, Die Enzyklika "Laudato si'": Über die Sorge für das gemeinsame Haus (Freiburg im Breisgau, Basel, Wien: Herder, 2015)

Gräb-Schmidt, Elisabeth. „Umweltethik.“ In Handbuch der Evangelischen Ethik. Hrsg. von Wolfgang Huber, Torsten Meireis und Hans-Richard Reuter. 1. Aufl., 649–709. s.l.: Verlag C.H.Beck, 2015.

Volker Hauff, Hrsg., Unsere gemeinsame Zukunft: [der Brundtland-Bericht] (Greven: Eggenkamp, 1987)

Wolfgang Lienemann, „«Sustainability» in Ökumene und Theologien.“ In Nachhaltigkeitsforschung - Perspektiven der Sozial- und Geisteswissenschaften: Recherche dans le domaine du développement durable - perspectives des sciences sociales et humaines, hrsg. v. Ruth Kaufmann, Paul Burger und Martine Stoffel (Bern: Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, 2007

Link, Schöpfung: Ein theologischer Entwurf im Gegenüber von Naturwissenschaft und Ökologie. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl., 2012.

The Government of the Grand Duchy of Luxembourg. Ministry of Economy, „Luxemburg führt Rahmen zur Förderung der künftigen Nutzung von Weltraumressourcen ein.“ Pressemitteilung, 03.02.2016, zuletzt geprüft am 01.11.2016, www.spaceresources.public.lu/en/press-corner/press/de_Press-release-03_02_2016.pdf.

Meadows, Dennis. Die Grenzen des Wachstums. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1972.

NASA, „Our Vision for Planetary Sustainability.“ Zuletzt geprüft am 01.11.2016, http://www.nasa.gov/content/planetary-sustainability-our-vision/#.WBgtmiTBZsl

Erik Persson, „What does it take to establish that a world is uninhabited prior to exploitation? A question of ethics as well as science.“ Challenges, Nr. 5 (2014).

Bernd Schuh, „Der Himmel ist leer: Vom Anfang und Zweck der bemannten Raumfahrt – 50 Jahre Juri Gagarin.“ Deutschlandfunk, zuletzt geprüft am 28.11.2019, www.deutschlandfunk.de/der-himmel-ist-leer.740.de.html

Tremmel, Jörg. Nachhaltigkeit als politische und analytische Kategorie: Der deutsche Diskurs um nachhaltige Entwicklung im Spiegel der Interessen der Akteure. Hochschulschriften zur Nachhaltigkeit 4. München: Ökom-Verl., 2003. Univ., Diplomarbeit - Frankfurt/Main, 2003.

Vogt, Markus. Prinzip Nachhaltigkeit: Ein Entwurf aus theologisch-ethischer Perspektive. Hochschulschriften zur Nachhaltigkeit 39. München: Oekom-Verl., 2009.

Lynn White, „The historical roots of our ecologic crisis.“ Science (New York, N.Y.) 155, Nr. 3767 (1967), doi:10.1126/science.155.3767.1203.

Bildnachweis

Was wir jetzt tun können

Nur der Himmel ist die Grenze?

Andreas Losch fragt, woran wir uns halten sollen: an den Himmel als gegebene Grenze, oder müssen wir in den Weltraum wachsen um das langfristige Überleben der Menschheit zu sichern?

 

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben